Bekanntlich ist die Bibel ja nicht EIN Buch, sondern eine Sammlung von Büchern, Briefen und anderen Schriften, die im Verlauf von über 1000 Jahren entstanden ist. Die Auswahl derer, die sich heute in unserer Bibel finden, nennt man „Kanon“.
Im Judentum ist der Kanonisierungsprozess (also die Festlegung, was zum Kanon gehört) seit etwa 130 n. Chr. abgeschlossen. Zum Tenach (der Heiligen Schrift der Juden und Jüdinnen) gehören drei Teile:
- Die Tora (das sind die fünf Bücher Mose)
- Die Prophetenbücher (z.B. das Buch Jesaja)
- Die Ketuvim oder Schriften (z.B. Psalmen, das Buch Kohelet)
Das Christentum hat diese Schriften übernommen und um einige erweitert (so z.B. das Buch Tobit, das Buch Judith). Diese Sammlung wurde bis etwa 350 n. Chr. als Altes Testament kanonisiert. Im Zuge theologischer Meinungsverschiedenheiten rund um die Herausbildung der verschiedenen christlichen Konfessionen kam es später zu weiteren Veränderungen, die heute ein konfessionell uneinheitliches Altes Testament ergeben. So haben die protestantischen Kirchen beispielweise die Erweiterungen zurückgenommen und nur den Tenach kanonisiert, während die katholischen und orthodoxen Kirchen (teilweise überschneidende, teilweise unterschiedliche) zusätzliche Schriften im Kanon hat.
Auch das Neue Testament besteht aus mehreren Büchern. Seit dem vierten Jahrhundert sind 27 Schriften aus dem Urchristentum anerkannt:
- Die vier Evangelien
- Die Apostelgeschichte
- Die 21 Briefe an die Gemeinden (z.B. Römerbrief, Korintherbriefe)
- Die Offenbarung des Johannes
Das wichtigste Kriterium für die Aufnahme einer Schrift in den Kanon war die Frage nach dem Verfasser. Es musste entweder ein Apostel selbst geschrieben haben oder von einem solchen autorisiert worden sein.
Auch im Neuen Testament gibt es geringe konfessionelle Unterschiede (vor allem was die Reihenfolge der Schriften betrifft). Nach der Reformation wurde Mitte des 16. Jahrhunderts am Konzil von Trient der Kanon für die katholische Kirche festgelegt. Alle Bücher und Schriften, die darin nicht enthalten sind, nennt man Apokryphen (wörtlich „verborgene“ Schriften).
Sandra Fiedler