Engel - Himmlische Heere oder metaphysische Fledermaus

Trotz der gesellschaftlich allgemeinen Skepsis gegenüber übernatürlichen Erscheinungen ist der Glaube an Engel noch immer weit verbreitet und beliebt. Nicht nur in den heiligen Schriften des Judentums, des Islams und des Christentums begegnen uns diese Wesen, sondern auch in unserem Alltag. Als Schmuck in der Weihnachtszeit, in unserer Sprache (als „Unschuldsengel“ zum Beispiel) oder auch als Werbeträger haben sie in unserem Alltag einen fixen Platz gefunden. Aber woher kommen sie?

Von der Schöpfung bis zur Offenbarung begleiten uns die Engel durch die ganze Bibel. Da diese jedoch kein einheitliches Buch, sondern eine Sammlung vieler verschiedener Schriften ist, gehen die Beschreibungen oft weit auseinander. An manchen Stellen treten Engel in körperlicher Gestalt auf, die kaum vom Menschen zu unterscheiden ist, an anderen als geisthafte Wesen oder gar nur als eine Kraft.

Eines haben sie aber immer gemein, Engel sind in der Bibel immer als eine Zuwendung Gottes zu verstehen. Auf ihre Aufgaben deutet schon ihr Name selbst hin. Das Wort Engel kommt aus dem griechischem „angelos“, das Bote bedeutet. Als solche dienen sie als direktes Sprachrohr Gottes. So ist es zum Beispiel ein Engel, der Maria erscheint, um ihr die Geburt Jesu zu verkünden (Luk 1,28), oder Moses aufträgt, die Israelit/innen aus Ägypten zu führen (Ex 3). Ihr Wirken geht jedoch auch weit über das Vermitteln von Nachrichten hinaus. An vielen Stellen sind sie es, die direkt in das Geschehen eingreifen und etwa Lot vor dem Pöbel retten (Gen 19), oder Elija in der Wüste zu Essen geben (1. Kön 19, 1-8). Ihr Wirken ist jedoch nicht auf das Positive beschränkt. So sind es auch Engel, die in der Offenbarung die sieben Plagen auf die Erde tragen (Off 15), oder zu Lebzeiten des Propheten Jesaja 185.000 Mann im Lager der Assyrer erschlagen (Jes 37, 36).

Die Haltung der katholischen Kirche im Bezug auf Engel kann man dem Katechismus entnehmen. In diesem ist festgehalten: „Dass es geistige, körperlose Wesen gibt, die von der Heiligen Schrift für gewöhnlich „Engel“ genannt werden, ist eine Glaubenswahrheit. Das bezeugt die Schrift ebenso klar wie die Einmütigkeit der Überlieferung“ (KKK 328).

Die genaue Definition von Engeln ist jedoch nicht so einfach. Da die Beschreibungen so unterschiedlich sind, wurde im 2. und 3. Jahrhundert versucht, eine Unterteilung in verschiedene Gruppen zu treffen. Hier wurden die Engel sowohl aufgrund ihrer Erscheinung, als auch ihrer Aufgaben eingeordnet. Diese verschiedenen Gruppen wurden, wie man es heute noch oft in Gebeten und Liedern hört, als Engelchöre bezeichnet.

Aussehen

Fragt man nach dem Aussehen von Engeln, so wird man als Antwort vielleicht „Sie sehen aus wie kleine nackte Kinder mit Flügel!“, oder „In weiße Laken gehüllte Menschen mit Flügeln!“ zur Antwort bekommen. Dies ist auch naheliegend, denn so kann man diese auf Gemälden oder als Stauen in vielen Kirchen finden. In der Bibel ist das Bild der Engel jedoch nicht so einheitlich. In vielen Erzählungen erschienen sie zum Beispiel in menschlicher Form und wurden erst später als Engel erkannt (Tob 5 oder Dan 3).

Das klassische Bild des geflügelten Engels kommt von den Chrubim (Ezechiel 1,4-14)und Seraphim (Jes 6,1-7). Diese beiden Engelchöre werden im Alten Testament in ihrem Aussehen genau beschrieben. In verschiedenen Visionen umgeben diese Engel den Thron Gottes. Sie entsprechen seinem „Hofstaat“, der Gott als Herrscher des himmlischen Reiches zur damaligen Zeit zugeschrieben wurde. Ihre Aufgabe ist es, Gott ohne Unterlass zu loben und zu preisen. Die Seraphim werden als Wesen mit drei Flügelpaaren, die Cherubim mit zwei Flügelpaaren beschrieben. Mit einem davon fliegen sie, mit dem/den anderen Paar/en bedecken sie sich aus Respekt vor Gott.

Die gefallenen Engel – Mythos oder Glaubenswahrheit?

Der Mythos um den oder die gefallenen Engel, wurde im 2.Jahrhundert v. Chr. in der jüdischen Gemeinde geprägt. In dieser Zeit plünderte der syrische König Antiochus den jüdischen Tempel in Jerusalem und versuchte mit Gewalt, heidnische Kulte einzuführen. In dieser schweren Zeit für das jüdische Volk entstanden die sogenannten apokalyptischen Schriften. In diesen wird vom Untergang der Welt und dem Beginn des Reichs Gottes berichtet. Die Offenbarung, die jedoch nicht aus dieser Zeit stammt, wäre ein Beispiel einer solchen Schrift. In diesen Schriften wurden Wirkungsbereiche der Engel stark ausgebaut und neben den aus der Bibel bekannten Erzengeln Gabriel, Michael und Raphael noch viele weitere Engel namentlich genannt.

Im Bekanntesten dieser Bücher, „Henoch“, wird der Abfall der Engel, der in der Bibel nicht beschrieben ist, genau dargelegt. Hier nehmen sich einige Engel unter einem Anführer Menschfrauen und zeugen Nachkommen. Diese Nachkommen sind Riesen und verwüsten die Erde, woraufhin Gott die Engel verbannt. Diese wurden im weiteren, sowohl alle gemeinsam, oder auch nur ihr Anführer, als Satan bezeichnet, der das Übel über die Welt bringt und als Gegenspieler Gottes dargestellt wird.

Von diesen vielen verschiedenen Schriften wurde nur das Buch Daniel in den Kanon der Bibel aufgenommen. Der Einfluss der anderen Schriften ist jedoch nicht abzustreiten. So spielt zum Beispiel die Textstelle in der Offenbarung, in der der Drache mit seinem Schwanz ein Drittel der Sterne (Engel) auf die Erde wirft (Off 12,4) auf den Fall der Engel im Buch Henoch an. In der orthodoxen Kirche wird am 8. November der Erzengel Uriel gefeiert, der in der Bibel keine Erwähnung findet. Auch in Büchern und Filmen werden viele dieser Mythen aufgenommen und weiter ausgebaut.

Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. (Psalm 91)

Benjamin Ditmoser-Pfeifer