Selbstdarstellung im Internet
Ich stehe am Bahnsteig und warte auf meinen Zug – zugegebenermaßen langweile ich mich ziemlich! Ich schaue mir die Leute in meiner näheren Umgebung ein bisschen genauer an. Da steht ein recht hübscher Typ und ich denke mir: „Wow! Was für Augen! Mit dem würd ich gern mal ausgehen!“ Da ich nicht schüchtern bin, gehe ich auf ihn zu und sage. „Hallo! Mein Name ist Maria Musterfrau, ich bin 17 Jahre alt und ich wohne in Musterhausen. Ich bin auf der Suche nach einer Beziehung und wähle „Grün“. Zuletzt war ich auf dem Gymnasium in Musterhausen und jetzt arbeite ich im Betrieb Mustermeier. Wenn ich nicht gerade arbeite dann lese ich gerne Thriller und schaue Liebesfilme. Magst du mein Freund sein?!“ und weil ich meiner Anfrage etwas Nachdruck verleihen will, stupse ich ihm mit dem Ellbogen in die Seite.
So etwas würdest du niemals tun?! In Realität wahrscheinlich nicht und mit ziemlicher Sicherheit würde der angesprochene Mann / die angesprochene Frau ziemlich verdutzt aus der Wäsche schauen, wenn du ihm/ihr so viele, recht private Informationen an den Kopf wirfst. Am Bahngleis. Als völlig Fremde/r! Doch es gibt einen Ort, da tun wir solche Sachen. Dinge, die wir in einer realen Begegnung niemals preisgeben würden oder die uns zu privat erscheinen um sie zu teilen, teilen wir im Internet manchmal allzu leichtfertig und unreflektiert mit einer ziemlich großen, vielleicht sogar unzählbaren, Menschenmasse.
Bewusste Selbstdarstellung und Gefahren vom öffentlichen Raum Internet
Das world wide web gehört für die Menschen unserer Zeit zum Alltag. Es ist ein Gebrauchsgegenstand geworden. Ein Medium, das den Kontakt erleichtern und Kommunikation möglich machen soll, die vor 15 Jahren noch nicht möglich war. Ohne Frage hat das Internet viele Vorteile für uns gebracht. Seien es Suchmaschinen, die eine mühsame, stundenlange Recherche in Büchern überflüssig erscheinen lassen oder die sogenannten Social Networks, die es ermöglichen, mit „Freunden“ all over the world in Kontakt zu kommen oder zu bleiben – richtig angewandt und im richtigen Maß benutzt kann das Internet ein hilfreiches Medium sein. Und genau das ist die Herausforderung. Die richtige, maßvolle Verwendung und der bewusste Umgang mit dem WWW.
Natürlich könnte ich jetzt über die Gefahren sprechen, die es mit sich bringt, wenn man seine Adresse ins Netz stellt oder wenn man seine Bankverbindung öffentlich macht. In diesem Artikel soll es aber um die Frage gehen, wie sich Menschen im Netz selbst darstellen. Wie sie von anderen wahr genommen werden wollen.
Sucht man im Wörterbuch nach „Selbstdarstellung“ so steht dort: „Selbstdarstellung ist die Summe aller bewussten Handlungen, die das Erscheinungsbild einer Person oder Personengruppe beeinflussen soll.“ Besonders wichtig ist für mich hier das kleine Wörtchen BEWUSST! Soziale Netzwerke laden dazu ein, jeden seiner Schritte mit anderen Menschen zu teilen. Profilbilder und ganze Fotoalben können angelegt und für alle sichtbar gezeigt werden.
Einerseits stellt sich hier die Frage, wie man auf andere wirken will, welches Bild von sich man vermitteln will und andererseits auch die Frage: Wie schütze ich meine Privat- und Intimsphäre?
Zum Nachdenken
Welche der nachfolgend angeführten Informationen würdest du einem/r Fremden auf der Straße über dich erzählen?
Name | Derzeitiger Wohnort | Heimatstadt | Handynummer | Anschrift | Stadt/Ort | Nachbarschaft | Websites | Geschlecht | Geburtstag | Augenfarbe | Körpergröße | Gewicht | Sexuelle Orientierung | Beziehungsstatus | Jahrestag | Religiöse | Ansichten | Politische Ansichten | Interessiert an | Auf der Suche nach | Biografie | Lieblingszitate | Schule | Hochschule | Arbeitgeber | Aktivitäten | Interessen | Musik | Bücher | Filme | Fernsehen | …
… und welche davon können im Internet unzählbare Menschen sehen???
Unzulängliches Wissen über passende Privat- und Intimsphäreeinstellungen in sozialen Netzwerken können dazu führen, dass plötzlich Menschen Informationen über einen herausfinden können, denen man diese Informationen lieber vorenthalten würde. Und diese verkürzt dargestellten Information, die ein Profil im Internet von einem Menschen vermitteln werden kann, weckt in uns völlig fremden Menschen vielleicht das Gefühl, uns zu kennen. Das macht es umso wichtiger, bewusst auszuwählen, was man im Internet veröffentlicht. Denn die Annahmen und Hypothesen die sich Menschen bilden, wenn sie ein Bild sehen oder ein Kommentar von jemandem lesen, kann man nicht beeinflussen, jedoch kann man darauf achten, dass man nur solche Bilder im Netz veröffentlicht, die am ehesten das Bild von einem vermitteln, das man erwecken will. Dabei muss klar sein, dass ein Bild, ein Post, ein Tweet immer nur eine verkürzte Darstellung ist. Ein kurzes Blitzlicht auf einen Moment im Leben einer Person.
Klischees und andere Stolperfallen im Sozial Network
Soziale Netzwerke können unser Leben bereichern. Einerseits dienen soziale Netzwerke dazu, mit realen Freunden in Kontakt zu treten und zu bleiben. Zum Beispiel ist ein Auslandssemester der besten Freundin gar nicht mehr so tragisch, wenn man sich jede Woche per Webcam sehen kann und per Videogespräch die spannensten Neuigkeiten austauschen kann. Andererseits werden social Networks auch genutzt, um neue Kontakte zu knüpfen. Genau hier wird es wichtig, sich klar zu sein darüber, wer man sein will – wer man IST!
Auch im realen Leben haben wir alle verschiedenste Rollen. Wir sind Kinder unserer Eltern, Geschwister, Freund/innen, Schüler/innen, Student/innen, Rebell/innen, … Allzu leicht bedienen wir mit unseren Aussagen und Bildern Klischees. Auch hier heißt das Zauberwort für mich Bewusstsein. Nur wenn ich mir klar bin, wer ich bin und wer ich im Internet sein will, kann ich vermeiden einen falschen Eindruck bei wem auch immer zu erwecken.
Ja, man kann jetzt sagen: „Ist mir doch wurscht, was andere von mir denken! Die, die mich kennen, wissen eh wie ich wirklich drauf bin!“ Das stimmt! – zu einem Teil! Zu einem anderen Teil ist es aber so, dass gerade im Internet eine unzählbare Menge von Menschen meine Bilder anschauen kann und das sich diese Menge Gedanken macht und zu einer Einschätzung über mich kommt. Leider sind die Datenschutzbestimmungen auf vielen sozialen Netzwerkseiten so undurchsichtig beschrieben, dass viele die richtige Einstellung für sie nicht finden. Sich gut darüber zu informieren, wer welche Inhalte, die man im Netz veröffentlicht sehen kann, kann vor unangenehmen Fragen und negativen Folgen schützen. Nicht nur „Freunde“ greifen auf unsere Daten zu, sondern vielleicht auch Personalchef/innen und Ausbildungsleiter/innen. Dies macht vielleicht noch ein Stück deutlicher, wie wichtig ein bewusster Umgang mit dem World Wide Web ist und wie schnell nur ein, zwei Fotos mich in Misskredit oder zumindest unangenehme Situationen bringen können.
Nika Fürhapter
aus dem kumquat "vernetzt" 1/2011