Von e-Losern und e-Winnern
Heutzutage hat doch eh schon jede/r Internet! Und mit dem Internet erschließen sich auf eine Vielzahl von Möglichkeiten, ergo: Heutzutage haben wir alle durch das Internet enorme Möglichkeiten. Alle? Falsch. So wie jede „Ressource“ ist auch der Zugang zum Web global gesehen ungleich verteilt. Innerhalb eines Landes haben nicht alle gleich „vernetzt“ und schon gar nicht global gesehen: Der reiche Norden ist großflächig „vernetzt“, der ärmere Süden hinkt hinterher. Man spricht vom „digital divide“ – also einer Kluft zwischen den „Onlinern“ und den „Offlinern“.
Das Internet erobert den Erdball
Dabei schien es anfangs ganz anders zu verlaufen: Brauchte die Verbreitung des Radios noch Jahrzehnte, um 50 Millionen Menschen zu erreichen, wurde dieser Wert vom Internet bereits innerhalb von fünf Jahren erreicht. Traditionelle Medien haben sich in unserer Geschichte stets linear verbreitet, das Wachstum des Internets erfolgte aber exponentiell, das heißt, es wächst sprunghaft an und hat somit rasant im unserem Leben als fixer Bestandteil Einzug gehalten. Aber nicht alle haben gleichen Zugang zu diesen Technologien. Im Vergleich zu traditionellen Medien (wie Printmedien, Radio, Fernsehen,..) sind nicht nur die Kosten höher (ein Computer ist nach wie vor für den Großteil der Menschen auf dieser Erde unerschwinglich), es kommt noch hinzu, dass man eine höhere Medienkompetenz braucht (an Infos einer Website heranzukommen ist definitiv schwieriger als die Zeitung aufzuschlagen) und es ist auch eine Frage der Verfügbarkeit von Internet, weil ein Computer alleine ja bekanntlich noch nicht ausreicht um zu surfen.
Digital Divide – die Kluft wird größer?
In den letzten Jahrzehnten ist die Welt bei der Erreichung des oftmals formulierten Ziels der Verringerung der globalen Armut, sprich also auch der Verringerung der Kluft zwischen den Reichen dieser Erde und den Armen, phänomenal gescheitert. Noch nie waren die globalen Ungleichheiten und auch Ungerechtigkeiten so groß wie heute. Und diese Ungleichheit zeigt sich auch bei Internetnutzung. Der/die durchschnittliche User/in (und auch der/diejenige, der/die am meisten von dem neuen Medium profitieren) ist jung, weiß, männlich (in Südafrika sind nur 17% der User/innen weiblich, in China gar nur 4%) und gebildet – man spricht hier von den „eWinnern“. Der Zugang ist aber nicht nur global gesehen ungleich verteilt, sondern auch innerhalb von Staaten. Und auch hier lässt sich feststellen, dass die Unterschiede entlang ähnlicher „Trennlinien“ verlaufen wie andere Ungleichheitsphänomen, nämlich Herkunft, Geschlecht, „Klasse“,…: Frauen haben weniger Zugang als Männer, Migrant/innen weniger als Menschen, die hier geboren wurden und Personen mit höherer Schulbildung mehr als jene mit niedriger.
Wissenschafter/innen sprechen vom globalen „digital divide“ als eine neue Form der Ungleicheit zwischen „Erster“ und „Dritter Welt“. Diese neue Dimension der Ungleichheit, wird bestehende aber nicht verringern, sondern natürlich nur verstärken. Die „eLosers“ befinden sich zu einem großen Teil in Ländern des Südens. Sie können an den „Früchten“ des digitalen Zeitalters nicht mitnaschen. Weltweit hatten laut Angaben der International Telecommunication Union (ITU) im Jahr 2008 noch 5,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zum Internet, in Afrika sind in etwa weniger als vier Prozent der Bevölkerung „online“. Rund 20 Prozent der gesamten Weltbevölkerung haben keinerlei Anbindung an moderne Informations- und Kommunikationstechnologien. Kostet in den USA ein Internetanschluss ca. 1% des durchschnittlichen Monatseinkommens, sind es in Uganda 100%.
Who needs the internet?
Jetzt mag manch eine/r denken: „Ja, aber die Mandinka in Westafrika, haben sicherlich andere Probleme als dass sie nicht surfen können.“ Das mag schon sein, denn wie bereits erwähnt herrscht in unserer Welt immer noch zu viel Ungerechtigkeit, Armut, Konflikte, … Nichtsdestotrotz müssen der Zugang zu Information und Wissen als bedeutende politische und ökonomische Ressourcen erkannt werden – und der mangelnde Zugang ebenso als (wie hier kurz erörtert) Spiegelbild vorhandener sozioökonomischer Ungleichheit. „Wissen ist Macht“ mag eine Binsenweisheit sein, hat aber ihren wahren Kern. Der Zugang zu Information, Wissen, Bildung ist einerseits genauso ein Menschenrecht, das keiner Person vorenthalten werden soll, und kann sich andererseits auch sehr wohl positiv auf die ökonomische Situation von Menschen auswirken.
Und nicht zuletzt ist es auch eine Frage des Prinzips: Warum sollten nur die Reichen, bzw. nur der Norden Zugang zum Internet haben und von der Vielzahl der Möglichkeiten profitieren? Erfolgreiche Projekte haben gezeigt, dass Konnektivität auch Empowerment (ein im Entwicklungsdiskurs gern benutzter Begriff, der soviel bedeutet wie „Selbstbestimmtheit“) bringen kann, sprich, dass mit Zugang zum Internet eine Erhöhung der Lebensqualität einhergehen kann, die aus einem gestärkten Selbstgefühl, Information und einer möglicherweise daher kommenden verbesserten ökonomischen Situationen resultieren kann.
Overcoming the gap?
Kann man diese digitale Kluft denn jemals überwinden? Kann der „Süden“ aufschließen an den „Norden“? So unrealistisch dies derzeit zu scheinen mag, bleibt mir nichts anderes übrig als diese Frage mit ja zu beantworten. Wir müssen uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Kluft zwischen Süden und Norden kleiner wird – nämlich ökonomisch wie informationstechnologisch. Ungleicheiten als „gottgegeben“ hinzunehmen ist kleingeistig, unfair und einfach falsch. Armut ist kein Schicksal, sondern eine Folge einer Verkettung von Umständen, an denen auch wir (indirekt) beteiligt sind.
Und es gibt engagierte Projekte, die versuchen, hier anzusetzen und diesen Spalt kleiner zu machen. Das prominenteste ist zweifelsohne das Projekt „One Laptop per Child“ (OLPC), das versucht Kinder in benachteiligten Regionen dieser Erde mit Laptops auszustatten. Die Vision dahinter ist, Bildungschancen zu eröffnen, indem man Kindern user/innenfreundliche, (in der Herstellung) billige, widerstandsfähige und leicht mit dem Internet verbindbare Laptops zur Verfügung stellt, die im Zuge von eLearning in der Schule eingesetzt werden können, aber auch zu selbstständigem Lernen und „Surfen“ dienen können. Mit den Worten der OLPC-Initiative: „Sie lernen, teilen, kreieren und arbeiten zusammen. Sie vernetzen sich untereinander, mit der Welt und mit einer besseren Zukunft.“
Weiters gibt und gab es seit Beginn der Verbreitung des Internets auch die Möglichkeit, dadurch sichtbarer zu werden und sich zu vernetzen. Besonders Frauenorganisationen des Südens haben diese Chance ergriffen und beeindruckende Kooperationen und Netzwerke ins Leben gerufen. Auch zahlreiche Entwicklungsprojekte sind im Bereich „neue Medien“ angesiedelt und versuchen hier die Ungleicheiten zu verringern.
Ob diese Initiativen nachhaltigen Erfolg haben werden, ist nicht immer so leicht absehbar. Ob der Zugang zu Internet automatisch zu besserer Bildung und somit besserer Lebensqualität führt, auch nicht immer.
Aber es ist auf jeden Fall einen Versuch wert.
Clemens Huber
aus dem kumquat "vernetzt" 1/2011