Bildungsbereich

Der österreichische Bildungsbereich ist im Umbruch. Die Jungschar fordert eine differenzierte Betrachtungsweise der geplanten Reformen, die vor allem von den Bedürfnissen und Fähigkeiten der davon Betroffenen ausgehen soll – der Kinder und Jugendlichen.

Für welche bildungspolitischen Reformen setzt sich Ihre Partei ein (Ganztagesschule, Gesamtschule, Kindergärten-Reformen, sprachliche Förderungen für Kinder mit Migrationshintergrund,…)? Auf welchen Grundlagen wurden diese Positionen erarbeitet und welche der schulpolitischen Maßnahmen sind für Sie in Wien wünschenswert?

Die Grünen: Wir wollen eine Pädagogik, die vom Kind ausgeht, denn Kinder und Jugendliche lernen gern. Wir brauchen eine Schule, die die Fragen und Interessen der Schülerinnen und Schüler aufgreift und ihre Neugier auf Neues als Antriebskraft nutzt. Das geht nur in einem System, das die Individualität von Kindern respektiert. Die Grünen setzen sich für eine qualitativ hochwertige Gesamtschule während der gesamten Pflichtschulzeit ein.

Schon auf Achtjährigen lastet ein großer Notendruck, weil nur Einser und Zweier im Zeugnis den Weg in die AHS ebnen. Immer früher wird für die Noten gelernt und nicht weil Lernen Spaß macht - eine fatale Entwicklung. Das Aussortieren der Kinder nach ihrer Leistung im Alter von 10 Jahren ist international deshalb unüblich, weil in diesem Alter gar keine Prognosen gemacht werden können. Kinder aus ärmeren und weniger gebildeten Familien haben schlechtere Noten und geringere Chancen, eine AHS zu besuchen. Die Grünen wollen Chancengerechtigkeit. Dazu ist es notwendig, dass jedes Kind bereits ab der Volksschule die Hausübungshilfe und Nachhilfe erhält, die es braucht. Nicht alle Eltern können selber helfen oder Hilfe zukaufen. 

Muttersprachlicher Unterricht und Deutschförderkurse
Viele Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache können weder ihre Muttersprache noch  Deutsch, sie sind „doppelt halbsprachig“. Das sind schlechte Startbedingungen für eine  erfolgreiche Schul- und Berufskarriere. Schwere Fehler im Schulsystem und Ignoranz  der Stadtregierung haben in diese Sackgasse geführt. Was jetzt getan wird, sind nicht  mehr als unzulängliche Notmaßnahmen. Die Grünen verlangen den Kindergartenbe- such ab drei Jahren, verpflichtenden muttersprachlichen Unterricht und Deutschförderkurse. 

Ganztagsschule ja, aber
Die meisten Schulen sind für einen Ganztagsbetrieb ungeeignet. Es reicht nicht, in ein altes Gründerzeithaus eine Küche und einen Speisesaal einzubauen. Schulen müssen  innovativ konzipiert werden und ausreichend Platz für moderne Pädagogik und Freizeit-  gestaltung schaffen. Lernen, Spiel, Kreativität, Sport, Lesen, Theaterspielen, Musik   machen, Ruhe haben – all das braucht jedes ganztägig geführte Angebot. Container  aufstellen ist keine Lösung. Die Grünen verlangen ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsschulen mit baulichen und personellen Qualitätsstandards. Die Möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen ihre Schule mitzugestalten, sollen großzügig erweitert werden.

Mehr alternative Pädagogik
Die Nachfrage der Eltern nach alternativer Pädagogik wächst, aber das Angebot  stagniert. Die Kombination aus ganztägigem Angebot und fortschrittlicher Pädagogik  gibt es nur selten. Die Grünen fordern, dass jede Schule über alternative und innovative  Schulformen wie z.B. Mehrstufenklassen, Freinet, Montessori, Jenaplan, und alternative  Beurteilungsmodelle verfügt.


ÖVP: In Bezug auf die Kindergärten bekennen wir uns ganz klar zum Gratiskindergarten, der ja eine langjährige ÖVP Forderung war. Allerdings fordern wir dringend, dass ausreichend Plätze für die Kinder in Wien vorhanden sind. Derzeit fehlen rund 15.000!

Die ÖVP Wien erkennt sich zum Ausbau der Ganztagesschule, einfach weil es den Bedürfnissen und Lebenssituationen der Familien entspricht. Dabei ist es uns aber wichtig, dass die Wahlfreiheit gewahrt bleibt. Wir sprechen uns also dagegen aus, dass überall ausschließlich verschränkte Ganztagesschulen eingeführt werden. In diesen Modellen gibt es keine Möglichkeiten, dass Kinder an manchen Nachmittagen beispielsweise Musikinstrumentenunterricht oder sportliche Betätigungen außerhalb der Schule machen können.

In Bezug auf die Gesamtschule fordern wir, dass auch weiterhin das Maß der Dinge die individuelle Förderung der jeweiligen Begabungen und Fähigkeiten der Kinder ist. Wenn die Bandbreite in einer Klasse zu groß ist, können weder die schwachen Schüler gefördert, noch die Begabten gefordert werden. Daher muss es jedenfalls Leistungsgruppen geben. Eine undifferenzierte „Einheitsschule“ lehnen wir prinzipiell ab.

Gerade in Wien ist die Förderung von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache ganz wesentlich. Das letzte verpflichtende Kindergartenjahr ist hier ein wichtiger erster Schritt. Aber es ist unser Ziel, dass zukünftig kein Kind mehr die erste Klasse Volksschule besucht, das nicht ausreichend Deutsch beherrscht und dem Unterreicht nicht folgen kann. Deshalb fordern wir für diese Kinder eine Vorschulklasse.

Die wesentlichste Grundlage für alle unsere bildungspolitischen Forderungen ist das Maß an den Kindern zu nehmen. Für uns stehen die Kinder im Fokus und nicht eine Ideologie.


SPÖ: Wien tritt für die Ganztagsschule ein und wurde in diesem Bestreben auch kürzlich bei der Volksbefragung von der Wiener Bevölkerung bestätigt. Die Ganztagsschule umfasst den Schultag in seiner Gesamtheit: Der Tagesablauf folgt einem Rhythmus aus Lern- und Freizeitphasen, die ein konzentriertes Arbeiten ermöglichen, aber auch Ruhe und Kreativität zulassen. Auch der soziale Status der Eltern fällt in ganztägigen Schulen kaum ins Gewicht: In der Ganztagsschule spielt es keine Rolle, ob das Kind zu Hause ein eigenes Zimmer oder einen Computer hat. Die positiven Effekte der Ganztagsschule sind vielfach belegt: In der PISA-Studie, OECD-Berichten und durch Erfahrungswerte aus dem skandinavischen Raum.

Die Umsetzung der Ganztagsschule wird schrittweise erfolgen: Ziel ist, die Standorte in Wien in den nächsten sieben Jahren zu verdoppeln, bereits im Herbst 2010 starten fünf neue Ganztagsschulen.

Eine weiterer Schwerpunkt der sozialdemokratischen Bildungspolitik ist das Eintreten für die Gesamtschule: Überall dort, wo wir mit der ‚Wiener Mittelschule’ bereits jetzt eine Schulform ohne Zugangsbeschränkungen anbieten können, werden die Schulen von den Eltern sehr gut angenommen. 1.867 Anmeldungen für das kommende Schuljahr an insgesamt 21 Wiener Mittelschul-Standorten sprechen eine klare Sprache.

Eine Aufhebung der österreichweiten Prozentual-Beschränkung für Neue Mittelschul-Standorte sowie die schnelle Überführung des Schulversuchs ins Regelschulwesen ist daher mehr als überfällig.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist schließlich auch der Kindergarten, den wir als Bildungseinrichtung sehen: Wien hat als erstes Bundesland einen Bildungsplan für seine Kindergärten erarbeitet und mit dem beitragsfreien Kindergarten das Angebot für Familien verbessert. Und auch durch das verpflichtende Kindergartenjahr kommen alle 5- bis 6-Jährigen Kinder ein Jahr vor dem Schulstart in den Genuss der umfassenden Förderungen und Angebote der Wiener Kindergärten.

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