Kreuzweg mit Happy End?!

"Was passiert mit den Kindern, von denen die Eltern im Krieg gestorben sind?" fragte ein Mädchen bei einem der Pubuduwa-Diavorträge über Sri Lanka. In dieser Frage zeigt sich sehr klar, dass für Kinder die Auseinandersetzung mit Leid sehr wohl ein Thema ist, das sie beschäftigt - und genau darum geht es auch im Kreuzweg. Warum dennoch ein "Happy End" möglich ist, erfährst du weiter unten.

Leid und Gewalt

In der Kreuzwegerzählung passiert viel Leid und Gewalt - Jesus bricht unter dem Kreuz zusammen, bekommt eine Dornenkrone aufgesetzt, wird verspottet, ans Kreuz genagelt und letztlich umgebracht. Diese Erfahrung von Leid und Gewalt ist für Kinder nichts Abstraktes, sondern ist ihnen durch die Medien, aber auch durch ihre eigenen Lebenserfahrungen sehr nah. Kinder fühlen sich oft von den Leistungserwartungen ihrer Eltern überfordert, werden von anderen ausgelacht, tun einander weh und leiden nicht zuletzt unter konkreter Gewalt, die beispielsweise in Form der "g'sunden Watschen" immer noch weit verbreitet ist. Deshalb wäre es auch nicht richtig, anzunehmen, dass der Kreuzweg "ja nichts für Kinder" sei. Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass es sich hier nicht um eine der kuschelweichen, netten Geschichten handelt, wie sie oft im Kindergottesdienst eingesetzt werden. Und trotzdem ist die Passion einer der zentralen Texte des Christentums, mit dem sich verschiedenste Menschen immer wieder auf unterschiedliche Weise auseinandergesetzt haben (so z.B. in den zahlreichen Vertonungen, wie die sehr hörenswerte Matthäus-Passion von J.S.Bach) und der auch für dich und deine Kinder spannend und bereichernd sein kann!

Kreuzweg für Kinder?

Der Kreuzweg ist ein unglaublich komplexes Gebilde, in dem eine Vielzahl von Themen, Menschen und Geschichten enthalten sind. Es ist daher sinnvoll, nicht den gesamten Kreuzweg zu absolvieren, sondern einzelne Aspekte herauszugreifen, die dir für "deine" Kinder passend und interessant erscheinen. Wie lang es dauern soll und wie viele Stationen sinnvoll sind, hängt natürlich ganz von Alter und Konzentrationsfähigkeit deiner Kinder ab. Bei einer abwechslungsreichen, lebendigen Gestaltung ist eine Stunde sicher nicht zu lang.

Wie und was tun?

Wie bei allem, was du mit Kindern tust, ist es auch bei einem Kreuzweg wichtig, etwas zu tun und nicht nur zu reden. Also nicht stur alle Kreuzwegstationen abzuklappern, sondern zu jedem Denk-Schritt etwas tun. So wird z.B. im Modell "Der Soldat des Kaisers" bei jeder Kreuzwegstation ein Stück von einem Papierschwert abgerissen, sodass letztlich ein Kreuz daraus entsteht. Eine Möglichkeit ist auch ein einfaches, aus zwei Holzlatten gezimmertes Holzkreuz, auf das die verschiedenen Symbole, die bei den einzelnen Schritten vorkommen, gepinnt werden, sodass letztlich daraus ein buntes, "lebendiges" Kreuz entsteht, das die Gedankenschritte des Kreuzwegs verdeutlicht.

Hilfreich bei der Gestaltung kann es sein, den Kreuzweg unter einem bestimmten Aspekt vorzubereiten, z.B. aus dem Blickwinkel verschiedener Menschen, die mit Jesus unterwegs waren. Aus ihrer Perspektive stellen sich Fragen, die auch die Kinder betreffen. Stellvertretend für die Kinder könnten z.B. zwei Puppen, Konrad und Helene, die folgenden Fragen überlegen:
Da gibt es die Soldaten, die konkret Gewalt ausüben und vom Leiden Jesu profitieren - wo haben Konrad und Helene schon mal davon Gewinn gehabt, dass es jemand anderem nicht gut geht? Dann sind da die Frauen, denen Jesus wichtig ist, und die jetzt zuschauen müssen, wie er leidet. Wie geht es den beiden Puppen, wenn sie sich hilflos fühlen und glauben, nichts tun zu können? Simon hingegen tut etwas und hilft Jesus, sein Kreuz zu tragen. Wo haben wir schon mal geholfen? Außerdem gibt es noch die Freunde von Jesus, die gar nicht dabei sind, sondern sich aus Angst irgendwo versteckt haben. Wo und wann verstecken sich Konrad und Helene? Die Puppen tragen dazu bei, dass bei diesen doch sehr persönlichen Fragen keine "Beicht-Atmosphäre" entsteht und dass die Kinder keine Schuldgefühle bekommen, weil sie sich vielleicht nicht immer richtig verhalten haben.

Noch mehr Tipps...

Wenn du mehrere Kreuzwege vorbereitest, die in der Fastenzeit wöchentlich stattfinden, ist es sinnvoll, einen "Roten Faden", also eine Verbindung zwischen den einzelnen Kreuzwegen zu haben. Das können zum Beispiel zwei Figuren sein, die das Geschehen beobachten, oder ein Tier, das dabei war. Du kannst auch jedes Mal einen anderen Gegenstand bearbeiten, der dann an ein Holzkreuz gepinnt wird, damit man sich leichter an die vorigen Kreuzwege erinnert.

In der bildenden Kunst haben sich viele Künstler/innen bemüht, den Kreuzweg darzustellen. Ihr könntet z.B. mit Ausschnitten aus verschiedenen Zeitschriften die einzelnen Gestalten oder Stationen kreativ umsetzen.

Die Kreuzwegerzählung sollte nicht ausschließlich als etwas Historisches, lang Vergangenes gesehen werden, es gibt viele aktuelle Bezüge. Die Foltermethoden des Kreuzweges erscheinen uns heute barbarisch - dennoch werden auch heute noch in vielen Ländern der Erde Menschen tagtäglich gefoltert. Mit älteren Kindern könntest du den Kreuzweg als Denkanstoß nehmen, euch über Menschenrechte Gedanken zu machen - wofür und warum werden noch heute Menschen "ans Kreuz geschlagen"?

Die Grausamkeit, die die Akteur/innen des Kreuzwegs einander antun, übt auf Kinder eine besondere Faszination aus; hier gilt es aufzupassen, dass sie sich nicht vor lauter blutrünstigen Überlegungen, wie das wohl sein muss, wenn man Nägel durch die Hände gebohrt bekommt, nicht mehr wirklich auf die anderen Inhalte einlassen.

Das Happy End!

Bei all der Grausamkeit und dem Leid soll aber der positive Ausblick auf die Auferstehung nicht fehlen! Das ist genau das "Happy End", das schon im Titel angesprochen wurde - die letzte Station ist nicht der gewaltsame Tod Jesu, sondern die Tatsache, dass sein Leben und sein Wirken weitergehen. Auch das klingt auf den ersten Blick abstrakt und schwer nachvollziehbar, ist aber, wenn es mit konkreten Lebenserfahrungen gefüllt wird, etwas durchaus "Logisches". Wenn mir jemand wichtig ist, mir spannende Dinge erzählt hat und mit mir Zeit verbracht hat, dann ist der oder die auch noch bei mir, wenn er/sie eigentlich schon weg ist, halt auf eine andere Art.

Vieles vom Kreuzweg mag deprimierend klingen - keinesfalls sollen die Kinder mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass die Welt ganz schrecklich und voller Leid ist. Neben der notwendigen Auseinandersetzung mit dem Leid soll der zentrale Gedanke eben dieses "Happy End" im wahrsten Sinne des Wortes sein. Jesus hat den Leuten, die ihm weh getan haben, verziehen - er verzeiht auch uns alles, was uns nicht so gut gelingt, und er macht uns durch sein Leben Mut, es immer wieder neu zu versuchen!
Die Beschäftigung mit dem Kreuzweg kann für Kinder nur dann fruchtbar und bereichernd sein, wenn dem Eindruck von Gewalt und Leid das Bild von Auferstehung und Hoffnung gegenübergestellt wird!

Wenn du das bei deiner Vorbereitung berücksichtigst, dann wird der Kinderkreuzweg - statt einem moralisierenden Abklappern von alten Bildern - eine lebendige Auseinandersetzung mit zentralen Fragen des Menschseins und damit auch des Kindseins.
In diesem Sinn wünsche ich dir und deinen Kindern viele spannende und bereichernde "Kreuzweg-Erlebnisse"!

Kathi Wexberg