Ewiges Leben
Zu Ostern feiern wir, dass Jesus auferstanden ist, dass sein Tod nichts Endgültiges ist und er weiter lebt – ewig weiter lebt. Ein Gedanke, der gar nicht so einfach zu fassen ist. Denk mal an einen Moment in deinem Leben, in dem du so glücklich warst, dass du gehofft hast, er würde nie vergehen. Wenn dir so ein Moment einfällt, stell dir vor, er würde sich über dein ganzes Leben erstrecken. Du hast soeben eine Ahnung davon verspürt, was das heißen kann, „ewiges Leben”. Der Begriff der Ewigkeit im biblischen Sinn hat nämlich nicht so sehr mit der Unendlichkeit oder der Zeitlosigkeit zu tun (die sich wohl ohnedies kein Mensch vorstellen kann). Er beschreibt vielmehr einen Zustand, die Qualität des Lebens, eines erfüllten Lebens.
Ewigkeit meint keine „schlechte Unendlichkeit”, sondern meint die „Fülle des Seins”. Ein Leben, das durch und durch ganz, erfüllt, vollkommen und end-gültig ist. Als Sehnsucht ist dir das sicher bekannt. Auch in bestimmten Momenten unseres Lebens ist uns diese „Fülle” bekannt. Von daher haben wir bereits eine „Vorahnung” dessen, was uns Menschen da in der Heiligen Schrift versprochen wird.
Wenn Jesus vom ewigen Leben spricht, meint er damit das „Reich Gottes”, die „Gottesherrschaft”. Wenn diese Begriffe auch ein wenig ungewohnt klingen, verbinden sie sich doch im Neuen Testament mit der Vorstellung von einem Leben des/r Einzelnen wie auch einer Gesellschaft, in der nur mehr Liebe, Friede, Gewaltlosigkeit, Barmherzigkeit und Güte „herrschen”. Jesus verspricht uns, dass mit ihm dieses Leben für uns alle bereits angebrochen sein kann – wenn wir es zulassen. Und er zeigt uns Wege, wie wir es hier auf Erden schon verwirklichen könnten.
Dieses Versprechen ewigen Lebens geht bis über unseren Tod hinaus. Unser Zutun besteht darin, dass wir hoffen – dürfen.
Wohlgemerkt – dieses ewige Leben, das über das irdische Leben hinausgeht, ist in erster Linie eine Aussage über die Qualität dieses Lebens – erst in zweiter Linie eine Aussage über die Dauer oder konkrete Art und Weise dieses Lebens. Davon hat nämlich kein einziger lebender Mensch ein tatsächliches Wissen. Was bleibt, ist die Hoffnung. Das scheint wenig und ist doch viel angesichts der Gewissheit, dass wir sterben müssen.
Der Tod ist ein Phänomen, mit dem unser Verstand an eine unüberwindbare Grenze kommt. Oft ist in der Geschichte der Theologie und Philosophie versucht worden, die Ewigkeit des Lebens zu denken oder gar zu beweisen. Aber letztlich bleibt dieses Problem eine Frage eines festen Glaubens, eines Vertrauens zu Gott.
Im Johannesevangelium wird betont, dass dieses versprochene ewige Leben jetzt schon auf Erden zu finden ist, aber kein fixer Zustand oder Besitz ist. Wir sind aufgefordert, am Bestehen eines solchen Lebens in „Fülle” jetzt schon selbst mitzutun. Und die Bibel bringt diese fast unrealistisch scheinende Hoffnung zum Ausdruck, dass ewiges Leben, dass erfülltes Leben möglich ist. Und das über den körperlichen Tod hinaus. Ewig leben und unsterblich sein bedeutet dann nicht, dass unsere Zeit in irgendeinem Jenseits unendlich weiterläuft, sondern, dass unser Dasein als Ganzes, mit Leib und Seele und seiner ganzen persönlichen Geschichte, von Gott liebevoll angenommen wird und von ihm seine volle Gültigkeit bekommt, d.h. end-gültig wird. In welcher Form das geschieht, bleibt offen bis zum Tag unseres Todes. Unsere Aufgabe bestünde dann darin, uns offen zu halten, offene Hände zu haben für das, was da auf uns zukommt. Dazu müssten wir sehen, wie „arm” wir sind – endlich, schutzbedürftig und gar nicht so toll, wie wir oft vorgeben oder gern wären. Und vielleicht sollten wir uns jetzt schon ein wenig daran beteiligen, dass es solche Momente gibt, von denen wir uns nur wünschen können, sie währten ewig.
“Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, und damit ihr es in Fülle habt.” (Joh 10, 10)
aus dem Behelf "Fasten- und Osterzeit"