Farbe der Natur, Farbe der Bio-Produkte, Farbe der Hoffnung und Farbe des Islam. Was hat es mit der Symbolik der Farbe grün auf sich?
Grün, Symbol des Frühlings
Nicht alles grün ist wirklich grün. Die Geschichte des Gründonnerstags sollte uns hier zu denken geben. Dessen grün kommt nämlich vom neuhochdeutschen „greinen“, was soviel wie „weinen“ bedeutet (althochteutsch grīnan, mittelhochdeutsch grînen, „lachend/winselnd/weinend den Mund verziehen“): Am Gründonnerstag verabschiedete sich Jesus von seinen Freund/innen, ein Grund für Klage und Trauer. Obwohl hier also gar nicht die Farbe gemeint war, essen Katholik/innen zum Gründonnerstag gerne Spinat. Das hat aber nur zum Teil mit dessen Farbe zu tun. Der Spinat kommt auch deshalb auf den Gründonnerstagstisch, weil er als eine der ersten Gemüsesorten im Frühjahr geerntet werden kann. Früher galt generell grünes Gemüse als geeignete Speise für diesen Tag: Kohl, Salate, Nesseln oder junge Triebe, dazu grüne Kräuter. Volkreligiöse Vorstellungen sahen grünes Gemüse mit der Kraft des Frühlings verbunden, weshalb man sich von dessen Verzehr heilsame Folgen für das ganze Jahr erwartete.
Grün, Farbe der Natur
Grün ist mit einem positiven Vorurteil behaftet. Gerade im Frühling, wenn die Natur frisch heraussprießt, erfreut grün unsere Augen. Meine Großmutter meinte, grün sei besonders gut für die Augen und drängte mich stets in einen Gartenstuhl, „aber ohne Buch, du sollst nur das Grün schauen“.
Grün, Farbe des Gifts
Und doch ist die Sache so einfach nicht: Neben dem Grün der Hoffnung gibt es auch jene Farbe, die wir als giftgrün bezeichnen. Hintergrund dieser Sichtweise ist, dass früher der Farbstoff grün aus giftigen Stoffen gewonnen wurde. Grünspan ist einer davon. Er bildet sich beim Aufbewahren von essighaltigen Speisen in Kupfergefäßen und ist giftig. Treffen wir einen Menschen mit grünem Gesicht, vermuten wir nichts Gutes. Tatsächlich fehlt es ihm oder ihr an guter Durchblutung, die das Gesicht rötlich machen würde. In früheren Zeiten war es in vielen Theatern verboten, Schauspieler/innen grün zu schminken, fürchtete man doch, sie könnten dabei vergiftet werden. Grün galt früher gar nicht als eine so positive Farbe wie heute. Wir finden dies in Redensarten wie „Grün ist die Gier“ oder „Grün vor Neid“ wieder. Auf einem Altarbild des Tiroler Malers Michael Pacher von 1583 kommt sogar der Teufel in grün daher.
Grüner Widerspruch
Die Farbe grün ist also einerseits positiv besetzt, andrerseits negativ. Wie kann es zu solchen Widersprüchen kommen? Nun ja, Grün hat Symbolwert, und Symbole sind immer widersprüchlich. So wie Feuer positiv für Licht und Wärme steht, kann es auch Tod und Zerstörung bedeuten. Ähnlich ist es mit dem Symbol des Wassers: Aus ihm kommt Leben, in der Taufe gehen wir durch das Wasser hindurch zur Wiedergeburt, zu einem neuen Sein. Als aber Gott die Sintflut schickte und Mensch und Welt von Wassermassen bedeckt wurden, entfaltete das Wasser seine todbringende Macht. So ist es auch mit dem Grün: Es ist in seiner Bedeutung nicht eindeutig. Das macht es aber auch so interessant, sich damit zu befassen.
Heutiges Grün
In der westlichen Tradition wurde grün daher immer sehr ambivalent gedeutet: Die Farbe grün galt als Farbe der Hoffnung, aber auch des Zufalls. Dieser konnte Glück oder Unglück bringen. Die US-Amerikaner/innen drucken ihre Geldscheine in grün, vielleicht weil ihnen Reichtum als wechselhaftes Schicksal erscheint. Grün galt als „unverlässliche“ Farbe und wechselhaft, wohl auch deshalb, weil es sehr schwierig war, einen Stoff dauerhaft grün zu färben. Ein grünes Kleid verlor früher bald seine Farbe – dahin das Grün, vorbei das Glück.
Die Grünen als politische Bewegung wollen an diese pessimistische kulturgeschichtliche Lesart freilich nicht anknüpfen. Ihr Grün steht für die Natur, ganz simpel. Ihr Verständnis der grünen Farbe ist schlichtweg positiv.
Auch der Islam hat einen positiven Zugang zur Farbe grün: Grün gilt dort als Lieblingsfarbe des Propheten Mohammed. Der Islam sieht das Paradies als einen Ort voll grüner Pracht. Ein Hadith (eine Überlieferung über den Propheten) erzählt, dass Mohammed „das Wasser, das Grüne und ein schönes Gesicht“ als die drei universell guten Dinge bezeichnet hat.
Der Staat Libyen wählte grün daher zur Farbe seiner Staatsflagge. Aber auch Irland setzte das erste Drittel seiner Flagge in grün – dort galt grün als die Farbe des Katholizismus, während der Protestantismus von der Farbe orange repräsentiert wurde. Mit einem weißen Streifen in der Mitte ergeben grün und orange die Staatsfahne Irlands – wobei das mit dem Orange eine komische Geschichte ist: Die Protestanten kamen unter dem englischen König Wilhelm II, aus dem Haus Oranien-Nassau daher. Auf englisch und französisch hieß sein Haus: Orange-Nassau, weil ein Teil der Familie aus der burgundischen Stadt Orange kam. Auch hier eine Farbe, die keine Farbe ist. Aber wir sollten zum grün zurück kehren... Irland verstand sich als „grüne Insel“, stand dem Katholizismus nahe und verlieh diesem daher die grüne Farbe. Oder war es doch anders? Der katholische Priester trägt in der Liturgie grün an den normalen Sonntagen des Jahreskreises. Hat dies dazu verholfen, grün und Katholisch zu assoziieren?
Irgendwann einmal wechselte die Farbe grün seine Bedeutung: Sie verlor ihr giftiges Antlitz, verließ die Welt der magischen und religiösen Vorstellungen und wurde zur Farbe eines neues politischen Aufbruchs. Zuerst kam es Hand in Hand mit dem Frieden daher: Greenpeace machte uns das grün wieder schmackhaft. Heute ist die Farbe positiv besetzt – man assoziiert damit Natur und Umwelt. Seither essen wir am Gründonnerstag keinen traurigen Spinat mehr, sondern schmackhaftes Biogemüse.
Gerald Faschingeder
aus dem kumquat "grün" 1/2010