Meine Feinde, meine Bilder und meine Feindbilder
"Die Frau Professor Bhösse ist so böse zu mir, die hasst mich!" erzählt das eine Kind in der Gruppenstunde. "Diese blöden Tschuschen-Kinder im Park lassen uns nie in Ruhe. Die wollen den ganzen Park nur für sich haben!" erzählt ein anderes Kind. Kinder haben Ängste, aber auch Aggressionen. Manche Menschen werden dann zu Feindbildern. Was nun tun? Als Gruppenleiter/in ist es dir (hoffentlich) ein Anliegen, dass unzutreffende Feindbilder abgebaut werden.
Aber Achtung! Es könnte sein, dass die Kinder völlig Recht in ihrer Angst haben. Es gibt (scheinbare) Feindbilder, aber es gibt auch (echte) Feinde und so manche Angst der Kinder mag ganz zurecht begründet sein. Jedenfalls ist es ein heikles Unterfangen, Kindern bei solchen Fragen beizustehen. Deshalb empfehle ich dir auch nicht, von vornherein eine Gruppenstunde zum Thema "Meine Feindbilder und wie ich sie abbaue" anzusetzen. Die Gefahr ist zu groß, dass dabei Kindern wegen Ängsten, die sie wirklich haben, ein schlechtes Gewissen gemacht wird. Im Endeffekt ist ihnen damit wenig geholfen.
Feindesliebe?
Feindbilder sind Feinde, die ich nicht wirklich, sondern nur scheinbar habe. Feinde hingegen sind Menschen, die mir schaden wollen. Beides gibt es, und deshalb sagt Jesus auch nicht, dass man keine Feinde haben soll, sondern empfiehlt: "Liebe deine Feinde!" Jesus unterscheidet aber die Feindesliebe von der Nächstenliebe. Deinen Nächsten, den sollst du lieben "wie dich selbst". Das ist nicht dasselbe wie die Feindesliebe, denn es wäre krankhaft, seine Feinde so zu lieben wie sich selbst.
Gleichzeitig ist Jesus einer, der Feindbilder konsequent aufgreift und abbaut. Weshalb sollten sich Aggressionen gegen eine Ehebrecherin oder einen Zöllner richten? Nur die Lüge, die Verstellung vor sich selbst, die Angst vor dem Leben, das sind die wirklichen Gegnerinnen, gegen die man etwas tun muss.
Die Schlussfolgerung daraus für den Alltag mit der Kindergruppe ist, mit den Kindern ehrlich über ihre Ängste zu reden. Kinder ernst zu nehmen, bedeutet auch, ihre Feindbilder ernst zu nehmen und nicht, sie ihnen auszureden. Da kann sich dann einerseits die Frage stellen, wie ich Kindern helfen kann, sich vor echten Gefahren und echten Feinden zu schützen und zu wehren. Da kannst du gemeinsam mit dem Kind überlegen, wie es sich mit anderen zusammentun kann, denn gemeinsam fürchtet man sich manchmal etwas weniger, und mit wem das Kind über die Bedrohung durch bestimmte Personen reden kann. Vielleicht gibt es auch Möglichkeiten, sich zu wehren, aber da gilt es freilich vorsichtig zu sein, denn das könnte in die Hose gehen.
Was kannst du tun, wenn du der Ansicht bist, die Kinder fürchten sich nicht vor echten Feinden, sondern haben Feindbilder entwickelt, die du nicht o.k. findest? Feindbilder in der Gruppenstunde abzubauen ist natürlich nichts, was man "machen" kann und deshalb gibt es auch keine Rezepte dafür. Aber vielleicht gibt es Chancen dazu mit folgenden Ideen:
Jemanden einladen
Die Kinder schimpfen über Ausländer/innen und haben die absurdesten Gedanken darüber, wie sie leben und was sie tun? Oder haben die Kinder alte Leute zum "Feindbild" auserkoren? Du könntest jemanden, der dieser "Feindbild-Gruppe" angehört, in die Gruppenstunde einladen, z.B. jemanden, den die Kinder schon in etwa kennen: eine/n Hausbesorger/in aus der Gegend, den Zeitungskolporteur von der Straßenecke oder jemanden vom Senior/innenclub der Pfarre. Wichtig ist es, eine solche Einladung sehr gut vorzubereiten. Mit dem Gast solltest du ein ausführliches Vorgespräch führen, um ihn/sie kennenzulernen, um zu klären, was du von ihm/ihr möchtest und um dem Gast möglichst gut zu vermitteln, wie die Kinder und die Gruppe so sind. Unter Umständen kommst Du nach dem Vorgespräch darauf, dass die Person doch nicht geeignet ist. Dann ist es besser, du lädst sie nicht ein.
Genauso gut muss auch die Gruppe vorbereitet werden. Ihr sammelt vorher, was ihr den Gast fragen möchtet. Beim Besuch eines/r Ausländers/in könntet ihr vielleicht gemeinsam ein Getränk "brauen" oder eine Jause aus dem Land des Gastes basteln.
Der/die Besucher/in erzählt dann etwas über das Essen und Trinken in seiner Heimat und kann von da ausgehend andere Aspekte aus dem Leben in seinem/ihrem Land einbringen. Ausgangspunkt für ein Gespräch zwischen Kindern und Alten könnte sein, dass die eingeladene Person anhand von Fotos "ihr Leben" erzählt. Die Kinder werden daraufhin eingeladen, etwas aus dem Leben ihrer Großeltern zu erzählen und das mit der Erzählung des Gastes zu vergleichen. Die Besuchsdauer sollte die Zeit, die deine Gruppe zuhören kann, nicht überschreiten.
Puppen beraten einander
Für jüngere Gruppen empfiehlt sich außerdem folgende Methodenabfolge: Zwei Puppen treffen einander, namens "Zagerl" und "Trosterl". Zagerl erzählt, "Da gibt es Leute, die haben etwas gegen mich!" Die Kinder sammeln auf Sprechblasen, von welchen Leuten diese Puppe fürchtet, dass sie etwas gegen sie haben. Im Namen von Trosterl, die Zagerl helfen möchte überlegen die Kinder in einem ersten Schritt, welche dieser Befürchtungen o.k. sind und welche eigentlich Feindbilder sind.
"Ein Feindbild ist," erklärst du, "wenn man von jemandem glaubt, dass der einem etwas tun möchte, obwohl das gar nicht stimmt." In einem zweiten Schritt überlegt ihr für jene Fälle, wo ihr die Befürchtung angebracht findet, was für einen "Trost & Rat" Trosterl Zagerl geben könnte. Diese Ideen werden auf andersfarbige Sprechblasen geschrieben und neben die Furcht-Blasen gelegt.
Feinde auf Bildern
Ältere Gruppen könntest du mit Bildern konfrontieren, auf denen Portraits von verschiedenen Menschen zu sehen sind. Im ersten Schritt dieser Methodenkette werden "Vorurteile" über diese Leute assoziiert. Dazu könnten die Gruppenmitglieder zu jedem Bild einen Titel suchen. Z.B. gibt es da einen Mann mit Schnurrbart, unter den geschrieben werden könnte: "Der Biertrinker", "Der Eitle", "Der nette Onkel", "Der FPÖ-Wähler" etc.
Im zweiten Schritt schauen sich alle die Bilder und ihre Titel an. Dabei soll möglichst viel über die Assoziationen zu den Bildern geredet werden: Teile ich die Assoziation, finde ich, dass sie einen realen Kern hat etc. Anschließend versucht ihr die Bilder in eine Reihung zu bringen, bei der auf der einen Seiten jene Bilder liegen, bei denen ihr findet, dass Urteile hier gut möglich sind, und auf der anderen Seite jene Bilder liegen, bei denen ihr findet, dass Urteile nur Vorurteile sein können. Wichtig ist, eigene Urteile kritisch zu überprüfen.
Gerald Faschingeder