Integration in der Kindergruppe

„Wiederherstellung eines Ganzen“ oder auch „Herstellung einer Einheit aus Unterschiedlichem“, das sind die Bedeutungen des ursprünglich aus dem lateinischen kommende Wortes Integration. Eigentlich ein schönes Bild für die Basis integrativer Arbeit in der Jungschargruppe.

Viele mitunter sehr unterschiedliche Kinder in meiner Gruppe zu haben, darauf stelle ich mich als Gruppenleiter/in von vornherein ein, und auch darauf, dass es nicht immer einfach ist aus einem ungestümen Haufen eine Gruppe werden zu lassen. Wenn es dann aber um Kinder mit Behinderungen geht, kann es schon sein, dass ich unsicher werde, einige Bedenken in mir hochsteigen und ich mich eigentlich nicht so recht „drüber trau“.
Kinder mit Behinderungen sind in Jungschargruppen noch nicht alltäglich, sie sind es vielerorts noch nicht mal in der Schule und eine Menge Unsicherheit, Angst und Vorurteile ranken sich um alles, was mit Integration zu tun hat.
Vielleicht hast du Kinder mit Behinderungen in deiner Gruppe, vielleicht bist du gefragt worden ob in deine Gruppe ein behindertes Kind kommen darf und du bist nicht sicher wie du denn nun „tun“ sollst, oder du möchtest dir ganz prinzipiell einmal ein paar grundlegende Gedanken darüber machen.
Der Artikel möchte dir einige Ideen und Überlegungen als Anstoß dazu mitgeben, wie die Integration eines behinderten Kindes für alle Beteiligten eine Bereicherung werden kann und dir auch Mut machen, es einfach mal zu versuchen.

...vorweg...
Etwas was manchmal im Umgang mit behinderten Kindern vergessen wird ist, dass auch ein Kind mit einer Behinderung in erster Linie ein Kind ist, ein Kind das gerne spielt, lacht und lernt und auch mal weint oder grantig ist. Es hat halt vielleicht auch eine Behinderung, aber eben nicht nur.

...der erste Schritt...
Eltern von behinderten Kindern fühlen sich von einer allgemeinen Einladung nicht notwendigerweise auch angesprochen, weil Integration eben noch nicht so selbstverständlich ist. Möchtest du, dass auch Kinder mit Behinderungen an euren Angeboten teilnehmen ist es wichtig, sie auch direkt anzusprechen – ein Hinweis in der Ausschreibung oder dem Plakat, der beinhaltet dass auch Kinder mit Behinderung eingeladen sind und mittun können, baut diesen Kindern und ihren Eltern eine Brücke zu euch.

...Basisinformation...
Klar ist es wichtig für dich, dass du um die Art der Behinderung des Kindes Bescheid weißt - ein Gespräch mit den Eltern ist in diesem Zusammenhang sicherlich sinnvoll. Bleibe mit deinen Fragen aber möglichst kon­kret an dem, was du für den Umgang mit dem Kind in deiner Gruppenstunde brauchst, worauf du als Gruppenleiter/in zu achten hast, wie du das Kind bei manchen Dingen unterstützen kannst, etc.
Eltern denen daran gelegen ist, ihrem Kind auch in seiner Freizeit Integration zu ermöglichen, werden dir wahrscheinlich gerne deine Fragen beantworten und sich über dein offe­nes Interesse vielleicht sogar freuen.
Nimm dir durch zuviel Vorinformation aber nicht die Möglichkeit, das Kind selbst kennen zu lernen und deine eigenen Erfahrungen zu sammeln (Eltern sind Expert/innen, man darf mitunter Dinge aber auch anders machen).

...wie bereite ich meine Gruppe darauf vor?...
Vielleicht kennen einige Kinder deiner Gruppe das behinderte Kind aus der Schule oder der Nachbarschaft, dennoch können sich, im Umgang miteinander und auch schon vorher, Fragen ergeben. Gemeinsam über die neue Situation zu sprechen und auch gemeinsam als Gruppe die anfallenden Fragen zu klären kann den Kindern helfen, offen und ohne Scheu auf das neue Gruppenmitglied zuzugehen.
Die Kinder profitieren auch in jedem Fall davon, wenn du dir schon im Vor­hinein einige Gedanken über den Umgang mit behinderten Kindern gemacht hast, denn auch deine Einstellung zu dem behinderten Kind kann ein Schlüssel zu seiner Akzeptanz durch die Gruppe sein.

...miteinander reden...
Sprecht ganz normal mit dem Kind! Bei Kindern z.B. mit Hörgeräten ist es wichtig, dass nach Möglichkeit alle das Kind beim Sprechen ansehen und nicht alle durcheinander sprechen.
Nimm dir Zeit zuzuhören, und frage auch nach, wenn du et­was nicht verstanden hast - besonders bei Kindern mit sprachlichen Beeinträchtigungen kann es am Anfang einige Zeit dauern bis du dich „eingehört“ hast.

...Soll ich dir helfen?...
Siehst du, dass das Kind bei irgend etwas Hilfe benötigen könnte, frage es bitte trotzdem vorher, ob es sich helfen lassen möchte oder wie du, oder ein Kind am Besten helfen könnte da es für das Kind (z.B. bei blinden Kindern oder Kindern im Rollstuhl) sehr unangenehm sein kann, wenn einfach je­mand zupackt und tut.
Noch etwas - es ist dem Kind bestimmt nicht angenehm wenn, es von dir oder den anderen „bemuttert“ wird. Klar kann es nötig sein, sich um ein behindertes Kind seinen Bedürfnissen entsprechend mehr zu kümmern als das bei Gleichaltrigen nötig ist, stelle es aber trotzdem nicht unter einen Glassturz, das ist dem Kind wahrscheinlich nicht nur nicht recht, sondern bringt niemandem etwas und nimmt ihm auch die Chance selbst zu tun...

...bleib trotzdem fair...
Klar stellst du als Gruppenleiter/in dich im Falle eines Konfliktes auf die Seite des/der Schwächeren, achte aber auch darauf fair zu bleiben, auch ein behindertes Kind darf mal im Unrecht sein oder zurecht gewiesen werden - Gruppenregeln gelten für alle.
Alles andere wäre unfair gegenüber dem Rest deiner Gruppe und die anderen Kids sehen es verständlicherweise auch nicht ein.

...Gruppenstunden?...
Eure Gruppenstunden müssen sich nicht grundlegend ändern, du kannst weiter ganz normale Gruppenstunden machen, und dabei eben die Bedürfnisse und „Behinderungen“ aller Kinder berücksichtigen, was du ja wahrscheinlich ohnehin tust.
Selbstverständlich könnt ihr auch weiter Lauf- und Fangspiele spielen, auch wenn ein Kind mit einer z.B. Körperbehinderung zu eurer Gruppe gehört - vielleicht lassen sich die Spiele geringfügig abwandeln oder eine Spielaufgabe für dieses Kind hinzufügen, z.B.: bei einem sehbehinderten Kind hat der/die Fänger/in vielleicht ein Geräuschinstrument oder Ähnliches.
Wenn du beispielsweise mit Bildern und Plakaten etwas tun möchtest überlege dir bei einem sehbehinderten Kind dazu „Angreifungsmaterial“ und begleite das was die anderen tun auch sprachlich. Kinder mit geistiger Behinderung brauchen mitunter auch mehr Dinge zum anschauen und be-greifen. Du kannst natürlich auch wenn du ein Kind mit Hörgeräten in der Gruppe hast mit deinen Kindern musi­zieren – Musik lässt sich auch spüren.
Auch alle anderen Kinder deiner Gruppe können durch diese größere Vielfalt - wenn es eben mehr Möglichkeiten gibt, zu einem Ziel zu kommen - profitieren.

Es ist natürlich etwas anders ob du versuchst dich in sogenannte nicht behinderte Kinder hineinzudenken (da kannst du zumindest auf eigene Erfahrungen zurückgreifen) oder ob du dich in die Bedürfnisse eines Kindes mit einer Behinderung hineinzufühlen versuchst, aber mit ein wenig Übung gelingt dir wahrscheinlich auch das leichter.
Vergiss aber auch nicht, dass du nicht nur für das eine behinderte Kind eine Gruppenstunde machst - da sind auch eine Menge anderer Kinder in deiner Gruppe, die genauso auf ihre Rechnung kommen möchten!

...in der Mitte die Kinder...
Auch etwas ganz selbstverständliches in der Jungschararbeit – es geht um die Kinder und alles das was sie gerne tun und gut können. Auch Kinder mit Behinderungen sind nichts Anderes, als Kinder mit besonderen Bedürfnissen in einem bestimmten Bereich - und ihre eigenen Bedürfnisse haben wiederum eigentlich alle Kinder.
Deine Gruppenstunde kann so ein Ort sein, an dem Kinder mit und ohne Behinderung -abseits von Leistung, Benotung, Therapie oder besonderer Förderung - miteinander tun, Spaß haben, spielen, Freundschaften knüpfen und pflegen und ganz selbstverständlich miteinander umgehen lernen können.

Daniela Reichel