Resilienz

Was Kinder stark macht.

Eine Insel im Meer (die hawaiianische Insel Kauai), die Bewohner/innen sind ohne Kontakt und Austausch mit anderen Menschen. 40 Jahre lang wurden sie von Wissenschaftlern beforscht, denn obwohl die Lebensbedingungen schlecht sind – es herrscht Gewalt in den Familien, viele Beziehungsprobleme, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und Armut – übersteht ein Drittel aller Menschen diese Belastungen heil. Sie leben gelungene Beziehungen, haben Arbeit und daher keine Existenzsorgen und sind gesund.

Was haben sie, was die anderen nicht haben?

Es ist die seelische Widerstandskraft – die Resilienz! Sie macht diese Menschen zu „Stehaufmännchen“, die auch nach schweren Schicksalsschlägen immer wieder auf die Beine kommen. Diese Widerstandskraft entsteht aus einer positiven Weltsicht und einem positiven Selbstkonzept. In Schwierigkeiten wird nach dem Guten gesucht,  neue Situationen und Gegebenheiten werden als unerwartete Chancen gesehen und Enttäuschungen als Erfahrung gewertet. Unsere Grundhaltung und die Art, wie wir auf die Menschen in unserer Umgebung zugehen, bestimmen unsere Wahrnehmung. Wir sehen, hören und verarbeiten bevorzugt die Anteile, die wir erwarten und die unsere Vorannahmen bestätigen.

Sich selbst  positiv zu sehen, beruht auf dem grundsätzlichen Selbstvertrauen, dass Kräfte und Fähigkeiten mobilisiert werden können. Das Selbstwertgefühl ist dann weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen. Wer fest davon überzeugt ist, dass er oder sie es schaffen kann, ist viel eher bereit, erste (kleine) Schritte zu gehen und erhält dadurch Kraft für die nächsten, vielleicht schwierigeren Abschnitte. Sich seiner individuellen Stärken bewusst zu sein, stärkt wiederum das positive  Selbstbild.

Die Wissenschaftler/innen auf der Insel Kauai leiteten aus ihren Beobachtungen sieben Grundprinzipien ab. Anhand derer kann man sich besser vorstellen was Resilienz ist, was den Unterschied ausmacht.

Die 7 Säulen der Resilienz

  • Optimismus: Aus jeder Krise kann etwas Gutes entstehen. Jede Krise – so schlimm sie auch sein mag – ist zeitlich begrenzt. Wer seinen Optimismus gezielt einsetzt, kann die eigenen Ressourcen effektiv nutzen.
  • Akzeptanz: Nur wenn die Krise erkannt und akzeptiert wird, kann sie auch bewältigt werden.
  • Orientierung auf die Lösung: Man versucht, konkrete Schritte zu einer Lösung zu machen.
  • Verlassen der Opferrolle:Resiliente Menschen richten ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf andere Personen und Umstände,  sondern in erster Linie auf sich selber. Sie setzen sich aktiv mit bestehenden Situationen auseinander und versuchen, sie zu ihren Gunsten zu verändern. Sie übernehmen Verantwortung für das eigene Leben. Dazu gehört natürlich auch, dass die Konsequenzen für das eigene Tun getragen werden.
  • Neue Netzwerke aufbauen: Auffallend ist, dass resiliente Menschen in den meisten Fällen ein großes soziales Netzwerk haben. Sie haben immer jemanden, der ihnen zuhört und ihnen dabei behilflich ist, eine Lösung für die unterschiedlichsten Probleme zu finden.
  • Zukunft planen und gestalten:Das setzt voraus, dass Betroffene erkennen, dass sie immer eine Wahlmöglichkeit haben. Es gibt immer verschiedene Optionen. Wird die Zukunft entsprechend der eigenen Möglichkeiten geplant, bleibt sie beherrschbar und selbst große Krisen können in den meisten Fällen in Eigenregie bewältigt werden.

Resilienz ist NICHT angeboren, sondern erlernbar

Resiliente Kinder rechnen mit dem Erfolg eigener Handlungen, gehen Problemsituationen aktiv an, nutzen eigene Ressourcen effektiv, glauben an die eigene Kontrollmöglichkeit, erkennen aber auch realistisch, was außerhalb ihrer Kontrolle ist.

Vieles, das die Resilienz stärkt, ist auch in der Jungscharstunde vorhanden und wichtig. Manches kann zusätzlich bewusst in diese Richtung unternommen werden. Kinder brauchen belastbare und sichere emotionale Beziehungen. Solche Beziehungen z.B. zu Verwandten, Freund/innen, Nachbarn oder auch Jungscharleiter/innen können in schwierigen familiären Situationen zum „Zufluchtsort“ werden. Die Resilienzforschung zeigt, dass oft schon eine einzige solche Beziehung den Unterschied macht. In Österreich übernimmt diese Rolle übrigens häufig eine Großmutter.

Ebenfalls wichtig ist es, Kindern ihre aktive Rolle aufzuzeigen. Kinder übernehmen gerne Verantwortung und freuen sich, wenn ihnen etwas zugetraut wird. In der Jungscharstunde gibt es viele Aufgaben, die die Kinder übernehmen können. Vielleicht kann eine/r die Pölster für den Sitzkreis herrichten oder eine/r ist dafür verantwortlich, dass immer ein Krug Wasser mit Bechern im Gruppenraum steht oder … Ein weiterer Schritt ist, den Kindern ihre Erfolge und Fähigkeiten vor Augen zu führen, sie zu spiegeln: „Toll, wie du alle Bälle weggeräumt hast. Danke dafür, dass du mir die Arbeit abgenommen hast.“ Kritik und Lob sollen dabei immer spezifisch sein, sich also auf ein bestimmtes Verhalten des Kindes beziehen und nicht verallgemeinernd auf das Kind selbst.

Wenn es passt, ist es auch sehr positiv, Kinder ab und zu um Rat zu bitten („Ich bin mir nicht sicher, ob... Was meinst du dazu?“). Das signalisiert, dass sie wertgeschätzt werden und eine gestalterische Rolle einnehmen können. Darüber hinaus lernen sie dabei, dass man bei Problemen um Hilfe bitten kann. Ein Gleichgewicht zwischen Freiheit und Regeln fördert ebenfalls die Resilienz.

Kinder brauchen Kinder, um soziales Verhalten zu lernen. Deshalb ist es als Gruppenleiter/in wichtig, den Zeitpunkt des Eingreifens in eine Gruppensituation sensibel zu wählen (zum Beispiel, wenn zwei Kinder streiten). Die Kinder sollen zwar wissen, da ist jemand, der für mich da ist, wenn ich es brauche, aber oft regeln Kinder solche Situationen auch ohne Erwachsene ganz gut untereinander und lernen dabei viel mehr.

Zum Schluss einige Ideen für die Gruppenstunde:

„Unterschriften fischen“: Bereitet eine Tabelle vor, in der links verschiedene Eigenschaften, Hobbies, … aufgezählt werden (z.B. acht Jahre alt; spielt gerne Fußball; Schuhgröße 34; Lieblingsfach Werken; liest gerne …). Rechts ist die Tabelle leer. Die Kinder bewegen sich frei im Raum und suchen Kinder, auf die die genannten Dinge zutreffen und lassen dieses Kind unterschreiben. Am Ende sprecht gemeinsam mit den Kindern darüber, wie ähnlich wir uns alle sind und wie viele Dinge wir gemeinsam haben. Der Schwerpunkt dieses Gesprächs soll darauf liegen, dass all diese Gemeinsamkeiten uns helfen, ein Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln.

„Freundschaftspuzzle“: Schneidet Bilder zum Thema Freundschaft in jeweils drei Teile, mischt sie durch und teilt jedem Kind eines aus (wenn die Gruppengröße nicht durch 3 teilbar ist, verändert die Teilanzahl der Puzzles). Die Kinder suchen nun ihre zwei fehlenden Puzzleteile. Wenn ein Bild komplett ist, setzen sich diese drei Kinder zusammen und kleben die drei Puzzle-Teile auf. Anschließend überlegen sie, was ihr Bild darstellt oder aussagt und finden einen Titel für das Bild. Jede Dreiergruppe präsentiert dann ihr Bild der Gruppe.

„Wort-Bilder“: Über Gefühle zu reden, ist oft nicht einfach. Deshalb helfen uns Wortbilder. Sammelt gemeinsam verschiedene Gefühle und schreibt sie auf ein Plakat. Versucht anschließend Wort-Bilder zu den verschiedenen Gefühlen zu finden. Wichtig dabei ist, dass die Wort-Bilder immer in Paaren vorkommen – durch die Visualisierung des Gefühls steht immer ein positives Gefühl am Schluss. Beispiel „Angst“: Ich war ängstlich wie ein Mäuschen. Aber ich stellte mir vor, ich bin ein Löwe, und ich fühlte mich besser.

„Das kann ich!“: Wir sprechen viel zu selten über das, was wir gut können. Ladet die Kinder ein, in der nächsten Jungscharstunde etwas zu präsentieren (vielleicht wollen sie dafür etwas mitbringen), was sie besonders gut können – sei es Lego-Burgen bauen, Puzzle blitzgeschwind zusammenbauen, Purzelbäume machen oder Freundschaftsbänder knüpfen!

Hemma und Monika Gamillscheg

kumquat "zu wenig?" 2/2015