Zwischen Andenken und Taubendreck

oder: Warum Denkmäler Denkmäler heißen

Sie prägen nicht nur das Bild einer Stadt oder eines Dorfes, sondern sind auch Erinnerungen an geschichtsträchtige Personen und Momente. Ist man auf Urlaub oder einer Reise, sind sie oft beliebte und wichtige Attraktion – in der eigenen Umgebung, geht man vermutlich bloß daran vorbei, ohne ihnen besonderes Augenmerk zu schenken. Die Rede ist von Denkmälern. Im folgenden Artikel, möchte ich anregen, sich mit Denkmälern auseinanderzusetzen.

Von „Kriegsherren“ & eigenen Denkmälern

Ich habe oft den Eindruck, dass den Denkmälern in meiner Umgebung wenig Beachtung geschenkt wird. Abgesehen von Feiertagen, an denen an so manchen Kriegerdenkmälern Kränze niedergelegt werden (z.B. die Kranzniederlegung am „Grab des unbekannten Soldaten“ am Wiener Heldenplatz am Nationalfeiertag), und anderen besonderen Anlässen, stehen die meisten Denkmäler – abhängig von ihrer Bekanntheit – den Rest des Jahres nur da ohne dass über ihren Hintergrund nachgedacht wird und finden höchstens als Foto-Motiv (oder Taubenrastplatz) Nutzen. Nur selten wird gefragt, warum dieses Denkmal hier steht, wer denn genau die Personen sind, zu deren Ehren es errichtet wurde, und auch, was es uns denn eigentlich sagen will. Im Folgenden sollen einige Aspekte von Denkmälern betrachtet werden. Im dazugehörigen Gruppenstundenmodell auf Seite 27 haben deine Kinder die Möglichkeit, ihr eigenes Denkmal zu entwerfen und das einer Person oder Sache zu widmen, die ihnen wichtig erscheint.

Frauen im Schatten – der Muse reicht’s!

Das Vergessen der wichtigen Rolle von Frauen in der Geschichte Österreichs spiegelt sich auch in deren Unsichtbarkeit in Bezug auf Denkmäler wider. Frauenstatuen finden sich in der Kunst sehr viele, oft jedoch sind diese auf ihr Aussehen beschränkt und bilden keine konkrete Persönlichkeiten ab, sondern bloß einen „hübschen Körper“. Denkmäler über geschichtsträchtige Frauen, wie z.B. das der Erzherzogin Maria Theresia zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum in Wien oder die Statue zu Ehren Auguste Fickerts, einer Kämpferin fürs Frauenwahlrecht und wichtigen Vertreterin der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts, zu finden im Wiener Türkenschanzpark, sind die Ausnahme.

Deutlich wird das beim Wandern durch den Arkadenhof der Universität Wien. Hier befinden sich 153 Ehrentafeln und –büsten (also in Stein gemeißelte Köpfe), in Erinnerung an namhafte Wissenschaftler/innen (wobei das -innen hier eigentlich nicht nötig wäre). Frau findet sich darunter nur eine – Marie von Ebner Eschenbach – und auch diese nur in Form einer Tafel. Dies erklärt sich zum Teil historisch, da Frauen lange Zeit vom Studium und somit auch Lehre und Wissenschaft ausgeschlossen waren und viele der Büsten schon vor dem ersten Weltkrieg aufgestellt wurden, ist andererseits aber auch Zeichen der systematischen Diskriminierung, die der Realität, nämlich der vielen Verdienste von Frauen in Wissenschaft, Lehre und Forschung, nicht gerecht wird. Von einer Elise Richter, die 1905 als erste Frau an der Uni Wien habilitierte (Romanistik) und 16 Jahre später als erste Frau außerordentlicher Professor (nicht Professorin!) wurde, oder Lise Meitner, Kernphysikerin, die maßgeblich an der ersten Kernspaltung beteiligt war, finden sich zum Beispiel keine Spuren. Diesem Ungleichgewicht, wurde mit einem Kunstprojekt begegnet, das seit einigen Jahren den Hof der Uni prägt: „Der Muse reicht‘s“. Eine Frauenstatue gibt es nämlich, sogar recht präsent im Zentrum des Hofes, jedoch handelt es sich dabei um die nur mit einem „Lendenschurz“ bekleidete Kastalia, einer inspirierenden Quellnymphe. Die Künstlerin Iris Andraschek setzte der Muse einen Schatten, der in einer kämpferischen Pose in der Größe von rund 170 ²m im Boden eingelassen wurde und auf den Schatten der Frauen verweist, die sich in der Welt der Wissenschaft emanzipieren und ihren Platz erkämpfen.

Holt den Vorschlaghammer…

Denkmäler sind auch immer wieder umstritten, in ihrer Darstellung wie in ihrer Aussage. Anschauliche Beispiele hierfür sind zum Beispiel Kriegerdenkmäler, oft in Posen und mit Sockeltexten, die Krieg und Gewalt eher verherrlichen, als auf deren Zerstörung hinzuweisen – etwas, das der Realität viel mehr entsprechen würde. Manchmal bilden diese konkrete Personen aus der Geschichte ab, denen aufgrund ihres militärischen Einsatzes ein Denkmal gesetzt wurde, in anderen Fällen sind es Monumente, die kollektiv Soldaten gewidmet sind, oft mit einer Widmung wie dieser, die sich im Heimatort meiner Großeltern finden lässt: „Zum Gedenken an unsere Helden des zweiten Weltkriegs.“

Die Lehre – und somit an das was erinnert werden soll -  aus Kriegen und gewaltvollen Konflikten ist in meinen Augen nicht „heldenhafte“ Taten von Soldaten in Stein zu hauen, sondern ein Mahnmal für den Frieden zu setzen – etwas was aber nicht oft zu finden ist.

Ein anderes Beispiel will ich wieder aus der Universität Wien heranziehen: Der lange Zeit in der Uni-Aula stehende „Siegfriedskopf“ ist ein 1923 von der damals antisemitischen und antidemokratischen „Deutschen Studentenschaft“ errichtetes Denkmal, in Erinnerung an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Student/innen und Lehrer/innen – allerdings nur die deutschen. Die Inschrift darunter „Ehre, Freiheit, Vaterland“ und „Errichtet von der Deutschen Studentenschaft und ihren Lehrern“, sowie die Tatsache, dass der Siegfriedskopf seit jeher regelmäßiger Treffpunkt von rechten und anti-semitischen Gruppierungen war, die diesem ihre Ehrerbietung gezollt haben, hat seit Jahrzehnten Konflikte herbeigeführt. Von manchen als „Schandfleck“ bezeichnet, wurde Kritik ob der Aussagekraft und dem so präsenten Standort (nämlich in der Aula der Uni) lange Zeit abgetan. Obwohl der Uni-Senat bereits 1990 seine Verlegung beschlossen hatte, argumentierte man mit Denkmalschutz oder auch dass dieser Teil österreichischer Geschichte ist und nun mal „immer schon da war“. Nachdem der Siegfriedskopf auch immer wieder Ziel von Attacken war (u.a. wurde ihm die Nase abgeschlagen) wurde er 2006 im Zuge einer generellen Neugestaltung aus der Aula entfernt und in den hinteren Bereich des Arkadenhofs gestellt. Mit dem einher ging auch eine längst überfällige künstlerische Aufarbeitung der problematischen Aussagekraft des Denkmals: Ein Plexiglassturz soll ihn nicht nur vor weiteren Angriffen bewahren, sondern sind in diesem auch Texte jüdischer Autor/innen, wie aus Tageszeitung, von 1923 bis heute, eingelassen.

Zum GEdenken oder zum NACHdenken?

Denkmäler sollten nicht bloß als „Zierde“ oder auch als „Mahnmal“ gesehen werden. Eine Auseinandersetzung damit, warum dieses Denkmal errichtet worden ist, aber auch was es uns sagen will bzw. im heutigen Kontext noch sagen kann – und warum das vielleicht auch problematisch gesehen werden kann, sehe ich im Kontext von Denkmalsbetrachtung als unverzichtbar.

Dass es auch ganz andere Denkmäler geben könnte, die an andere „Heldentaten“ erinnern, scheint nicht vorgesehen. Ich denke da zum Beispiel an Denkmäler für die Bewohner/inne der Vorarlberger Gemeinde Röthis, die sich gegen die Abschiebung einer asylwerbenden Familie gestellt haben. Oder an ein Denkmal, das Auffordern soll, mehr Zivilcourage zu zeigen. Oder eines, dass auf die Rechte der Kinder auf der ganzen Welt hinweist. Vielleicht ist die Gruppenstunde Anregung für dich und deine Kinder, Denkmäler mit neuen Augen zu sehen, zu überlegen, was einem im eigenen Leben so wichtig erscheint, dass man ihm gerne ein „Denkmal“ setzen würde.

In diesem Sinne: Denk-mal darüber nach!

Clemens Huber

aus dem kumquat "gratis" 2/2011