Die Sichtweise der ÖVP zur Frage ihres Verhältnisses zur Kirche:

Die Bezeichnung der ÖVP als "Die Schwarzen" stammt noch aus Zeiten der Monarchie und der Ersten Republik, als man die Christlichsoziale Partei so nannte. In ihren Anfängen in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Christlichsoziale Partei sehr stark von katholischen (in schwarze Soutane gekleideten) Priestern repräsentiert - sie waren in einer Partei der Kleinbürger, Bauern, Handwerker und Kleingewerbetreibenden bzw. Gebildeten. Die CSP hatte ein starkes Naheverhältnis zur Kirche. Daher wurden die Christlichsozialen von ihren sozialdemokratischen und bürgerlich-freisinnigen Gegnern polemisch als "die Schwarzen" bezeichnet, so wie die Christlichsozialen die Sozialdemokraten als "die Roten" und die Nationalsozialisten als "die Braunen" bezeichnete. Die Farbenbezeichnungen der Parteilager wurden in der Bevölkerung und in den Medien üblich und verloren ihre polemische Spitze.

1934 beschlossen die österreichischen Bischöfe, dass Priester nicht mehr Funktionäre einer politischen Partei sein dürfen. Mit dem "Anschluss" an Hitlerdeutschland im März 1938 wurde die Christlichsoziale Partei - wie alle anderen Parteien außer der NSDAP - verboten und aufgelöst.

1945 wurde die CSP nicht wieder errichtet und fortgesetzt (wie z.B. SPÖ und KPÖ). Die neue Partei, die Österreichische Volkspartei (ÖVP) unterschied sich von ihrer Vorgängerin, der Christlichsozialen Partei, vor allem durch das Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie und zur österreichischen Nation. Die Mehrheit der ersten ÖVP-Funktionäre war geprägt durch die NS-Verfolgung der Jahre 1938 - 1945 und den Widerstand gegen jede Form von autoritärer Politik. Die ÖVP sollte eine überkonfessionelle Partei sein, kein organisatorisches Naheverhältnis zur katholischen Kirche haben und auch nicht das "Christliche" für sich vereinnahmen. Denn die Kirche(n) sollte(n) für alle Menschen da sein, unabhängig von ihrer politischen Einstellung. Trotz dieser gegenseitigen Distanzierung - der Kirche von der Parteipolitik einerseits und der ÖVP von der Kirche andererseits - wurde die ÖVP weiterhin als "die Schwarzen" bezeichnet. Die Farbbezeichnungen der Parteien überleben als Traditionsgut, obwohl die ursprüngliche Bedeutung obsolet geworden ist. Was ist noch schwarz an der ÖVP (bezogen auf die Priester-Soutane)? Was ist noch rot an der SPÖ (Rot als die Farbe der proletarischen Revolution zur Beseitigung des "bürgerlichen Staates")?

Nichtsdestotrotz basiert auf inhaltlicher Ebene und jenseits der Polit-Symbolik das Grundsatzprogramm der Österreichischen Volkspartei auch heute auf christlichen Werten: "Wir sind Christdemokraten, weil wir unser Menschenbild, unser Verständnis von Verantwortung in der Gemeinschaft, unsere Werte und unsere Verpflichtung zur sozialen Gerechtigkeit aus dem Christentum herausleiten. Wir sind offen für Christen und alle, die sich aus anderen Gründen zu diesen Werten bekennen. Wir binden uns an keine Konfession oder kirchliche Institution." (Grundsatzprogramm). Das Wertesystem der ÖVP, das der christlichen und humanistischen Tradition Europas verpflichtet ist, beinhaltet auch von jeher den Auftrag, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schonen und die Erde für unsere Kinder bewohnbar und fruchtbar zu erhalten. Das Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft beruht auf dem ökologischen Prinzip der Nachhaltigkeit und ist das ökonomische Ordnungsmodell für die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen der Zukunft, das die ÖVP in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen hat.

Dieser Text wurde uns auf Anfrage von der ÖVP Bundespartei zur Verfügung gestellt.