Auf der Suche nach Alternativen zum Geld.
Geld ist etwas sehr zentrales für uns alle. Vor allem hier in Österreich. Wir kommen wahrscheinlich täglich in irgendeiner Art und Weise damit in Kontakt: Wir geben Geld für Essen, Gewand, wohnen und noch einiges mehr aus. Geld ist für die meisten von uns etwas, das wir ganz natürlich verwenden, weil es für viele von uns klarerweise zum guten Leben dazu gehört. Doch ist das wirklich so? Trägt unsere aktuelle Geldwirtschaft zum guten Leben für alle bei? Viele Menschen sind von Armut betroffen oder von Armut bedroht und können ihr Leben nicht so gestalten, wie sie es gerne wollen und brauchen. Allein diese Tatsache lässt mich immer wieder nach Alternativen zu einem vom Geld bestimmten Leben suchen. Dieser Artikel stellt einige Beispiele vor und will Lust auf die Suche oder Umsetzung weitere Alternativen machen.
Vom Reichtum der Natur leben
Im Garten der tausend Bäume lebten Adivasi (In Indien bezeichnen sich die Angehörigen der indigenen Bevölkerung als Adivasi – das Hindi/Sanskrit Wort „adi“ bedeutet „ursprünglich“ und „vasi“ „Bewohner/in“.) von dem, was die Natur zu bieten hat. Dieses Gebiet befindet sich im indischen Bundesstaat Jharkhand. Die Adivasi haben lange Zeit alles, was sie für ein gutes Leben brauchen, aus der Natur, aus dem Wald genommen. Neben Holz für ihre Hütten, Früchte und Tiere als Nahrung, holten sich Adivasi zum Beispiel auch Zahnbürsten aus dem Wald: Spezielle Zweige werden zum Zähneputzen verwendet. Geld ist in diesem Verständnis nicht notwendig.
Leider wird die Natur immer mehr bedroht, weil das Land der Region sehr reich an Kohle ist. Für die Kohleproduktion werden Wälder gerodet. Damit ist auch die Lebensgrundlage der Adivasi im Garten der tausend Bäume bedroht.
Gib und Nimm
Dieses Beispiel zeigt, dass es eigentlich auch möglich ist, ohne Geld auszukommen und zu leben. Immer wieder versuchen verschiedenste Menschen auch in sehr geld-dominierten Kontexten, aus verschiedenen Beweggründen eine alternative, geldlose Lebensform zu finden.
So übt sich zum Beispiel der Brite Mark Boyle im geldosen Dasein. Seit dem Jahr 2008 lebt er in einem geschenkten Wohnwagen. Er ernährt sich vegan von dem, was er findet oder was andere Leute wegschmeißen. Er verwendet eine Mischung aus wilden Fenchelsamen zum Zähne putzen, bewegt sich per Rad.
Ein weiteres Beispiel für die Realisierbarkeit eines geldlosen Lebens zeigt die ehemalige deutsche Psychotherapeutin Heidemarie Schwermer. Sie gründete 1994 den ersten Tauschkreis in Deutschland und entdeckte dann, dass sie kaum Geld brauchte. Aus einem geldlosen Jahr wurden 14. Sie gab ihre Wohnung auf, hütet seitdem Wohnungen anderer Leute, putzte für andere. Seit damals geht sie meistens zu Fuß und sieht sich selbst als Nomadin. Trotz schwieriger Zeiten verfolgt Heidemarie Schwermer eine Vision: Ein Leben in der Fülle basierend auf Vertrauen, ohne Geld und ohne Tausch. Sie versucht, diese Vision mit Hilfe ihres „gib&nimm“ Systems zu realisieren: Menschen, die geben wollen, kleben sich das „gib&nimm“ Pickerl gut sichtbar an ihre Wohnungstüren, Häuser oder Autos. Damit zeigen sie Bereitschaft und Offenheit für bestimmte Angebote wie Mitnahme im Auto, Abgabe von Benzin, Nachbarschaftshilfe oder ähnliches. In „gib&nimm“ Häusern können Menschen im Tausch einer Arbeitsstunde pro Tag bis zu zwei Monate wohnen. Mehr Infos zu Heidemarie Schwermers Lebenskonzept und der „gib&nimm“ Idee finden sich unter www.heidemarieschwermer.com.
KAESCH!
Auch in Österreich gibt es Tauschsysteme. Ein Beispiel ist die 2009 eingeführte Wiener „Währung“ KAESCH! Die Stadtteile Schöpfwerk, Kabelwerk, Alterlaa und Unter-Meidling führen als Tauschmittel für Dienstleistungen und Zeit ihr eigenes Geld. Die Idee, die dahinter steht ist folgende: Jeder Mensch macht bestimmte Sachen lieber als andere und kann manches besonders gut. Manche gärtnern gerne, andere backen lieber Kuchen, geben Nachhilfe oder führen Hunde spazieren. Manchmal ist kein Geld da, um bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu bezahlen, die gerade notwendig wären. Diese Dienstleistungen können mit Hilfe des KAESCH miteinander getauscht werden.
Für eine Stunde Arbeit, die man anbietet, erhält man rund 100 KAESCH auf sein/ihr KAESCH Konto. Die Tauschpartner/innen machen sich den Preis selbst aus. Auch Waren wie Haushaltsgeräte, Gutscheine, Handy-Ladebons, Eintrittskarten (zB fürs Kasperltheater) können mit dem KAESCH-System getauscht werden. Was gerade zum Tausch angeboten wird, erfährt man in der Mitgliederzeitschrift und auf der Homepage www.kaesch.at. Wer mitmachen will, kann Mitglied werden und zahlt einen jährlichen Mitgliedsbeitrag. Der Tauschkreis bietet regelmäßige Treffen für Mitglieder in den jeweiligen Regionen an. Dort können sich Tauschpartner/innen kennenlernen und sich auch in anderen Belangen austauschen. Die Förderung des Austausches der Nachbar/innen untereinander ist den deutsch, türkisch und arabisch sprechenden Initiator/innen ein großes Anliegen, um Vertrauen zu schaffen und fremdenfeindlichen Einstellungen entgegen zu wirken.
Auf geldlosen Pfaden zu einer anderen Welt
Es gibt sie also, die Ideen für Alternativen zum Geld! Auch eine demokratische Bank ist gerade im Entstehen. Es braucht nur Leute, die sich auf die Suche nach ihnen begeben und sie Schritt für Schritt ausprobieren.
Betti Zelenak
aus dem kumquat "gratis" 2/2011