und was sie für Kinder bedeutet
Als mein jüngerer Bruder Stefan letzten Mai Firmung hatte, habe ich gemeinsam mit meiner 5-jährigen Cousine das Geschenk verpackt. Plötzlich fragt sie mich: „Gehört der Stefan zu deiner Familie?“. Im ersten Moment war ich etwas verwirrt, immerhin ist es ja nicht so, dass wir uns nicht kennen würden und somit weiß sie ja, dass Stefan mein Bruder ist. Ich habe ihr auf jeden Fall geantwortet „Ja, der Stefan ist ja mein Bruder, so wie der Michael.“ Und habe noch aus Neugier hinzugesetzt „Gehört der Stefan auch zu deiner Familie?“ Darauf antwortet sie, nach kurzer Nachdenkpause: „Ich weiß es nicht.“
Dieses kurze Gespräch hat mich zum Nachdenken gebracht. Dass meine Geschwister zu meiner Familie zählen, ist für mich klar und es ist selbstverständlich, dass meine Cousins und Cousinen auch dazugehören. Aber auch aus Unterhaltungen mit Bekannten kam heraus, dass es für Kinder offenbar oft schwieriger einzuordnen ist, was Familie denn eigentlich ist. Vor allem decken sich die Vorstellungen zur Familie nicht zwangsläufig mit denen der Erwachsenen.
Fangen wir einmal mit dem Begriff „Familie“ an. Was bedeutet er denn überhaupt? Um dem auf den Grund zu gehen, habe ich einmal das Wörterbuch zur Hand genommen. Wenn man im Duden „Familie“ nachschlägt, kommen verschiedene Beschreibungen. Zwei, die auf die menschliche Gruppe „Familie“ bezogen sind, sind:
- aus einem Elternpaar oder einem Elternteil und mindestens einem Kind bestehende [Lebens]gemeinschaft
- Gruppe aller miteinander [bluts]verwandten Personen; Sippe
Das sind zwar nette Beschreibungen, aber meiner Meinung nach sagen sie nicht viel aus. Immerhin besteht doch ein gravierender Unterschied zwischen einem Elternteil und einem Kind und der Gruppe aller miteinander verwandten Personen. Schon allein mengenmäßig. Und die wichtigere Frage, was Familie denn ist, klären sie auch nicht.
Dann also wieder zurück an den Anfang. Familie ist etwas sehr Persönliches, die Bedeutung von Familie ist mit vielen Gefühlen verknüpft, die man vielleicht auch gar nicht benennen kann. Vielleicht ist es aber auch deshalb so schwer, eine Antwort auf die Frage, was Familie ist, was eine Familie ausmacht, zu geben, weil jede und jeder eine andere Auffassung davon hat. Und selbst wenn man vielleicht dieselbe Definition von Familie hat, dann ist doch die Familie des einen sicher ganz anders, als die der anderen.
Um ein bisschen etwas von dieser Vielfalt einzufangen, haben wir einige Kinder und Jugendliche in verschiedenen Familienkonstellationen gefragt, was denn Familie für sie ist. Welche Antworten wir bekommen haben, könnt ihr hier lesen.
„Was bedeutet Familie für dich?“
- „Familie bedeutet für mich Liebe und Freundschaft. Und dass man zusammenhält.“ Niko, 8 Jahre
- „Das tolle an einer Familie ist, wenn man eine Familie hat.“ Tobias, 7 Jahre
- „Dass ich immer zu jemandem kommen kann, wenn ich etwas brauche.“ Elif, 11 Jahre
- „Familie heißt für mich Zusammenhalten. Alles was gut ist, ist Familie.“ Timon, 8 Jahre
- „Familie bedeutet für mich vor allem Zusammenhalt, in jeder Situation.“ Katharina, 15 Jahre
- „Familie ist Liebe für mich.“ Diana, 9 Jahre
- „Familie bedeutet vor allem Zusammenhalt“ Stefan, 14 Jahre
- „Das kann ich gar nicht beschreiben.“ Gregor, 6 Jahre
- „Menschen, die mich lieb haben.“ Amira, 7 Jahre
- „Es ist sehr toll, Eltern zu haben. Zusammensein, miteinander was machen ist Familie.“ Michael, 8 Jahre
- „Für mich bedeutet Familie sehr viel.“ Lukas, 13 Jahre
„Wer gehört zu deiner Familie?“
- „Zu meiner Familie gehören Papa und Mama.“ Niko
- „Meine Eltern und mein Bruder sind meine Familie.“ Tobias
- „Alle meine Geschwister, Cousins und Cousinen, Tanten, Onkeln, Eltern, Großeltern. Und meine beste Freundin auch.“ Elif
- „Alle, die dazugehören? Mama, Papa, Cousins, Cousinen, ganz viele Leute halt.“ Timon
- „Sehr viele, wir sind so viele, dass wir auf kein Foto passen. Aber vor allem meine Eltern. Und irgendwie sind auch meine Freunde wie meine zweite Familie.“ Katharina
- „Meine Mutter, mein Vater und mein Bruder.“ Diana
- „Mama, Papa, meine Geschwister, Großeltern, Tanten und Onkel und alle Cousins und Cousinen.“ Stefan
- „Oma und Opa. Und die anderen Oma und Opa. Und Mama und Amadeus (Anm.: sein Hund) und Papa auch.“ Gregor
- „Ich glaub, ich kenn gar nicht alle. Aber meine Eltern und meine Schwester auf jeden Fall.“ Amira
- „Mama, Papa, meine Omas und mein Uropa. Eigentlich auch mein Opa, der gar nicht mehr lebt. Und meine Haustiere.“ Michael
- „Meine Mutter, mein Vater und meine Geschwister gehören zu meiner Familie.“ Lukas
„Was magst du an deiner Familie besonders gern?“
- „Eigentlich alles. Was ich nicht mag ist, wenn man streitet.“ Niko
- „Wenn wir gemeinsam etwas machen, schwimmen gehen.“ Tobias
- „Bei uns ist immer etwas los und alle sind willkommen.“ Elif
- „Dass sie mich gern haben.“ Timon
- „Ich mag an meiner Familie, dass wir so viele sind und uns so gut verstehen.“ Katharina
- „Wenn wir gemeinsam etwas spielen oder wohin gehen.“ Diana
- „Dass alle immer zueinander halten.“ Stefan
- „Dass Mama und Papa bei uns zuhause arbeiten und deshalb immer da sind.“ Gregor
- „Am Wochenende machen wir immer was anderes mit Mama oder Papa.“ Amira
- „Alles.“ Michael
- „An meiner Familie mag ich sehr den Zusammenhalt.“ Lukas
Wie ihr seht, sind die Antworten alle anders, aber in einigen Aspekten dann doch gleich. Jedes befragte Kind, jeder befragte Jugendliche verbindet Familie vor allem mit Zusammenhalt und füreinander da sein und macht diesen Begriff, entgegen mancher Erwartungen, nicht am Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein von verschiedenen Personen fest. So merkt man beim Lesen auch nicht, dass einige der befragten Kinder nicht in einer klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie leben.
Besonders schön ist auch, dass bei den Gesprächen mit den Kindern zu spüren war und auch in den Antworten zu lesen ist, dass sie sich von ihrer Familie akzeptiert und geliebt wissen. Das ist übrigens das, was für mich Familie ausmacht.
Veronika Schippani
kumquat "Liebe" 3/2013