Ein Gespräch mit Michael Gruber-Schilling über Baugruppen, Jungschar und seinen Traum
Noch ist es ruhig, wir stehen inmitten von Unkraut irgendwo in Aspern, 5 Radminuten von der derzeitigen U2 Endstation Aspernstraße entfernt. Michael skizziert mit Armen und Händen, wo in einigen Monaten sein Traum stehen wird. Kein Reihenhaus, kein Einfamilienhaus, ein gemeinschaftliches, generationenübergreifendes, interkulturelles wie interreligiöses Wohnprojekt in der gerade entstehenden Seestadt Aspern.
Das Baufeld auf dem wir stehen, wurde von der Stadt Wien für die Planung durch Baugruppen ausgeschrieben. „Baugruppen, das sind Menschen, die sich schon lange vor Baubeginn als Gruppe zusammenfinden, um dann gemeinsam ihr Haus zu planen, zu gestalten und zu nutzen. Also ganz im Gegensatz zum gängigen Procedere, wo ich alleine eine einzelne, fertige Wohnung suche und meine Nachbarn, wenn überhaupt, erst nach dem Einzug kennenlerne“, erklärt Michael. „Und auch anders, als der klassische Häuslbauer, der als Einzelkämpfer nie in solchen Dimensionen planen könnte. Als Baugruppe konzipieren wir ein Haus für 50 Menschen plus Kinder, übernehmen also die ganze gestalterische und organisatorische Arbeit, gebaut wird aber trotzdem von professionellen Firmen, die wir beauftragen.“
Gestern Jungschar - heute Baugruppe
Wenn Michael von seinem Wohntraum spricht, von der Vision und Realität, der Anstrengung und Genugtuung des gemeinsamen Planens und Tuns, dem spannenden und herausfordernden Prozess der Gruppenformung, den beeindruckenden Menschen, den großen und kleinen Entscheidungen, den monatlichen Versammlungen, dem Spaß und dem Engagement, dann klingt das für mich, als ob es um Jungschar ginge.
Als ehemaliger, langjähriger Gruppenleiter und Vorsitzender der Jungschar St. Pölten ist dieser Bezug auch nicht sehr weit hergeholt. „Meinem Bedürfnis nach Gemeinschaft, nach Verwirklichung und eingebunden- Sein in einem Gruppengefüge, nach Synergien, Unterstützung und Sicherheit durch die anderen kommt diese Herangehensweise an das Wohnen sehr entgegen. Meine Jungscharzeit, vor allem auf Lagern gemeinsam zu wohnen und als Team für andere und uns selber Ideen umzusetzen, das habe ich immer wahnsinnig genossen und ich kann mich erinnern, dass mich die Frage, was davon bleiben wird und die Hoffnung, diese Qualität zu erhalten, viel beschäftigt hat. Das hat meine Entscheidung für unsere Baugruppe sicher geprägt und ich sehe, dass sich viele alte Jungscharthemen hier in einem anderen Kontext realisieren lassen“.
B.R.O.T.
Die Baugruppe, zu der Michael gehört heißt B.R.O.T. „Das steht für beten, reden, offen sein und teilen. Der Name wurde von ähnlichen Vorgängerprojekten übernommen. Klingt zwar altmodisch, ist im Grunde aber immer noch Prinzip in unserer Baugruppe und hat auch niemanden abgeschreckt. Ganz im Gegenteil – er zieht z.B Menschen an, die ihren Bezug zur Religion nicht verleugnen wollen, egal ob christlich, buddhistisch, oder auch ohne Bekenntnis. Es sind hier alles Menschen, die eine Idee haben, die Unternehmergeist besitzen, die für sich sprechen können und aktive Nachbarschaft leben wollen. In unserer Baugruppe gibt es so etwas wie einen Konsens, dass man einander Fähigkeiten zur Verfügung stellt und auch gewisse Räumlichkeiten teilt. Vorrangig aus sozialen Gründen, aber auch ökonomisch gesehen hat das Sinn. Dementsprechend haben wir das Haus konzipiert - es soll unterschiedliche Bedürfnisse vereinen und viel Platz für gemeinschaftliches Sein haben.
Man darf sich das jetzt aber auch nicht als extreme Öko- und Althippie- Kommune vorstellen, es geht einfach um die Möglichkeit eines sinnvollen ungezwungenen Zusammenseins, die wir durch planerische Maßnahmen schaffen.
Konkret heißt das z.B. dass die Gänge breiter sind als normalerweise und als Begegnungszonen dienen sollen. Es wird auch eine große Gemeinschaftswerkstatt geben, denn niemand braucht alleine alle Geräte und den entsprechenden Platz, genauso wie einen gut gedämmten Musikraum zum Proben und einen großen Bewegungsraum. Wir wollen aber auch Rückzugsmöglichkeiten schaffen, z.B. mit einem Meditationsraum und beweglichen Sitzmöglichkeiten für Garten und Hof, die je nach Bedarf gruppiert werden können.“
Während Michael weiter von den Details der B.R.O.T Idee erzählt, fahren wir über das noch holprige Baugelände und kommen schließlich im Flederhaus an, dem derzeitigen Infopoint der Seestadt Aspern. Ein offenes Holzhaus in dem auf 3 Etagen Hängematten zur Verfügung stehen und das Projekt Seestadt Aspern vorgestellt wird. Wir setzen uns in die Etage, wo in großen Lettern ‚Stadt + Land’ steht. Das passt gut zu Michaels Traum.
„Ich wünsche mir, dass unser Haus wie ein kleines Dorf funktioniert, wo man nicht nur in der eigenen Wohnung hockt, sondern die Türen offen sind. Ich wünsche mir das vor allem für meine zwei Kinder, ganz nach dem Sprichwort ‚Für die Erziehung eines Kindes braucht es ein ganzes Dorf’. Wir werden Vielfalt im Haus haben und je mehr unterschiedliche Handlungsmuster sie mitbekommen, desto mehr können sie auch selber entwickeln.“
Auf die Frage, ob seine Kinder hier auch mal in die Jungschar gehen werden, nickt Michael zuversichtlich. „Denkbar ist das schon, die Räumlichkeiten werden da sein und die Menschen, die es dazu braucht auch.“
Babsi Maly
http://www.brot-aspern.at
http://www.aspern-seestadt.at/
kumquat "Pssst!" 4/2012