Als wir 1987 fast 50.000 Unterschriften für die Rechte der Indigenen gesammelt haben


Bereits vor 34 Jahren gab es eine große Unterschriftenkampagne der Katholischen Jungschar Österreichs für die Rechte der Indigenen in Brasilien. Marcel Kneuer beschreibt wie er es damals als Gruppenleiter erlebt hat.

Im Frühjahr 1987 gab es bei uns in der Gruppenleiter/innenrunde eine größere Aufregung. Denn es gab Gerüchte, dass die Jungschar eine große Unterschriftenkampagne für die „Indianer“ in Brasilien machen soll (Damals wurden die Ureinwohner/innen Brasiliens noch «Indianer» genannt, im Folgenden werden sie aber mit dem heute korrekten Begriff der «Indigenen» beschrieben).

Und tatsächlich, im April 1987 kam ein eigenes Sonder-KiK (die damalige JS-Gruppenleiter/innenzeitung) heraus, die alle Infos dazu und die Unterschriftenlisten brachten.

Der Hintergrund war, dass in Brasilien begonnen wurde, eine neue Verfassung zu schreiben und es lange Diskussionen über die Rechte der indigenen Völker gab. Und damals war Erwin Kräutler, ein Österreicher, Bischof in Amazonien und auch Präsident von CIMI, dem Indigenenrat der Bischofskonferenz Brasiliens. Er hat sich an die Jungschar Österreichs um Hilfe gewandt und diese wurde auch umgehend in Form der Unterschriftenkampagne beschlossen.

CIMI ist schon seit langem für die Rechte und das Überleben der bedrohten Indigenen Brasiliens eingetreten. Als CIMI bei den Vorbereitungen für die neue Verfassung feststellen musste, dass die Anliegen der Indigenen nicht nur nicht ausreichend berücksichtigt wurden, sondern im Gegenteil sogar befürchtete, dass die geplanten Regelungen vor allem die Aussiedlung der Indigenen aus den ihnen angestammten Gebieten legitimieren sollten, haben sie Alarm geschlagen.

CIMI erhoffte sich von Österreich, dass wir über Politik und Vorgehen der brasilianischen Regierung aufklären - vor allem aber, dass wir an die brasilianischen Behörden die Forderung richten, dass die Rechte der Indigenen Brasiliens ohne Einschränkungen in die Verfassung aufgenommen werden.

Wir haben dann gleich in unserer Pfarre - wie auch in vielen anderen Pfarren Österreichs - Unterschriften gesammelt und nach einigen Wochen gab es das stolze Ergebnis von 47.588 Unterschriften, die bis Anfang Juli gesammelt wurden. Sie wurden dann von Vertreter/innen der Jungschar in Brasilien an die zuständige Parlamentskommission überreicht. Es gab dann auch ein Dankschreiben des Vorsitzenden der brasilianischen Bischofskonferenz, Luciano Mendes de Almeida. In manchen brasilianischen Zeitungen wurde die Jungschar dann sogar wegen ihres Engagements angegriffen. Für die Anliegen der Indigenen, aber auch für die brasilianische Bischofskonferenz, die sich natürlich hier auch sehr engagiert hat, war das aber eine wichtige Unterstützung.

Die neue Verfassung wurde dann im Herbst 1988 in Brasilien beschlossen. Sie steht zu den Prinzipien des sozialen Wohlfahrtsstaates und macht auch Bildung und Gesundheit zu allgemein gültigen Werten. Sie führte Rechte für indigene Völker und andere Minderheiten ein, dadurch wird das Land offiziell als multi-ethnisch und multi-kulturell anerkannt. Die zweisprachige Schulausbildung für indigene Gruppen wurde eingeführt.

Wir haben uns natürlich sehr gefreut, dass wir damals als Jungschargruppenleiter/innen auch einen kleinen Beitrag zum Erfolg geleistet haben.

Marcel Kneuer
kumquat "sternsingen" 2021