Interview mit Hanna Posch (H.P.) vom technischen Büro Plansinn zum Thema Beteiligung von Kindern in der Stadtplanung.
Das Interview führte Martin Niegl, ehemaliger Gruppenleiter der Pfarre St. Thekla, er studiert Bauingenieurwesen an der TU Wien.
Kumquat: Wie kindgerecht ist die Stadtplanung im Allgemeinen?
Hanna Posch: Also die Wiener Magistratsabteilung für Stadtplanung und die Menschen, die dort arbeiten, sind, denke ich, zu einem guten Teil sehr kinderfreundlich und auch interessiert daran, Projekte zu machen, die für Kinder die Stadt "besser" machen. Was aber real in der Stadtplanung passiert, also wie sich die Stadt von oben herunter verändert, halte ich nicht für kinderfreundlich. Eines der großen Probleme ist der Verkehr. Ganz viele Flächen werden dem Individualverkehr geopfert, ein ganz großer Teil der Flächen geht für den ruhenden Verkehr (parkende Autos) drauf, ein großer Teil ist durch fahrenden Verkehr beeinträchtigt, wo sich Eltern auch nicht mehr trauen ihre Kinder rauszulassen. Und deswegen halte ich Großstädte im Allgemeinen nicht für kinderfreundlich. Es ist schwierig, in einer Großstadt die Planung so zu gestalten, dass Kinder sich dort auch wohlfühlen können. Was es konkret in Wien schon gibt, sind relativ große Grünflächen, den Prater oder andere Parks. Nur ist das aus meiner Sicht zu wenig, weil es auch immer um den Raum dazwischen geht. Also wie kommen Kinder dort überhaupt hin und das ist für mein Empfinden in Wien noch nicht gut gelöst.
Kumquat: Wie schaut das gesetzlich aus? Auf den Verkehrsschildern für Wohnstraßen sieht man immer diese spielenden Kinder, aber wenn jemand auf die Idee kommen würde dort, Fußball zu spielen, sind ja gleich Autos kaputt.
H.P.: Die gesetzlichen Vorschriften für Wohnstraßen sind eindeutig: Man darf nicht durchfahren, sondern nur zu- und abfahren, und das nur im Schritttempo. Zunächst einmal wissen das die meisten Autofahrer/innen überhaupt nicht. Sie gehen davon aus, dass man 20 oder 30 km/h fahren darf. Wir haben in einem Projekt Kinder gefragt, was das Schild heißt, und da hat ein Kind sehr bezeichnenderweise gesagt: "Man muss ausweichen, wenn ein Auto kommt." Insofern ist die Praxis der Wohnstraßen in Wien sehr schlecht. Es gibt 2-3 die gut funktionieren, die auch mit baulichen Maßnahmen entsprechend gestaltet worden sind. Dort wo das nicht stattfindet sind das reine Alibi-Maßnahmen. Es gibt auch Tendenzen diese Wohnstraßen wieder zurückzunehmen, weil sie nicht funktionieren, meiner Ansicht nach ist das der falsche Weg, man sollte versuchen diese Wohnstraßen zu aktivieren. Wir haben in einem Projekt im 2. Bezirk ("Mehr Platz!") versucht, so eine Straße zu aktivieren, zumindest temporär. Das ist die Schwarzingergasse, die wird einen Nachmittag in der Woche für den Autoverkehr komplett gesperrt, sowohl für den ruhenden als auch für den fahrenden Verkehr, und dort gibt es dann auch Betreuung der Kinder. Weil wir auch festgestellt haben, dass Kinder mit dem Platz draußen gar nicht mehr so viel anfangen können, wenn er zur Verfügung gestellt wird. Auf der Straße zu spielen ist für Kinder irrsinnig ungewohnt. Und so viele Beschwerden es über irgendwelche spielenden Kinder gibt, die meisten Kinder sind total brav! Sie halten sich an alle Regeln, spielen nicht auf der Straße und auch nirgends wo sie auch nur annehmen, dass man das nicht darf.
Kumquat: Das heißt, das wird gesellschaftlich schon so trainiert, dass man nicht einmal auf die Idee kommt, auf Straßen zu spielen.
H.P.: Ja, genau. Ich denke mir, es braucht durchaus auch gesellschaftliche Bemühungen, das wieder zurückzuholen, wenn man das will. Man muss sich dann auch darum kümmern, den Kindern zu zeigen, was man dort überhaupt spielen kann, was darf man jetzt,... Da braucht es auch die Erwachsenen, die dahinterstehen.
Kumquat: Wieviel Mitbestimmung von Kindern ist überhaupt möglich? Wieviel Kompetenz wird ihnen zugetraut?
H.P.: Also ich traue ihnen sehr viel zu! Allerdings ist es ganz wichtig, dass man Kinder in solchen Beteiligungsprozessen nicht fragt: "Was wünschst du dir?" Das wird in den meisten Fällen dann die Burg sein und die riesengroße Rutsche und die Riesenschaukel. Das ist auch das, was bei Zeichenwettbewerben herauskommt, wenn man Kinder ihren Lieblingsspielplatz zeichnen lässt. Ich denke, dass es ganz wichtig ist, bei Kinderbeteiligung einen Prozess draus zu machen, das braucht Zeit und auch Geld. Und das ist eine relativ komplexe Aufgabe für die Kinder sich vorzustellen: "Was sollte denn da sein, wenn es nach meinem Willen oder nach meinem Wunsch gehen würde?" Und deswegen muss man dem viel Zeit geben und immer mit dem beginnen: "Was tun denn die Kinder im Moment?" Sozusagen von ihrem Alltag ausgehen, weil wenn man eben nur Wünsche abfragt, dann komme ich auf Sachen, die normalerweise nur am Wochenende oder einmal im Jahr stattfinden. Und erst wenn ich mich beziehen kann auf das, was die Kinder eigentlich im Alltag tun, kann ich mit den Kindern zu konkreten Veränderungswünschen kommen.
Im Moment gibt es in Wien Einzelprojekte. Es gibt keine gesetzliche Vorgabe, dass in die Planung von Spielplätzen Kinder einzubeziehen sind. Es gibt auch keinen Gemeinderatsbeschluss, es gibt im Moment einfach keinen einheitlichen politischen Willen in diese Richtung. Es gibt aber durchaus Bestrebungen, vor allem auch auf Beamtenebene, das auch zu verändern, also diese vielen Einzelprojekte zu unterstützen.
Kumquat: Wieviel von den Ideen der Kinder und Jugendlichen wird dann bei solchen Projekten konkret umgesetzt? Passiert das 1:1 oder kommt dann von oben oft die Meldung: "Ist zwar eine schöne Idee, das kann aber aus diesen und jenen anderen Interessen nicht so umgesetzt werden!"
H.P.: Es gibt sicher Einzelprojekte, wo das passiert ist, wo Kinder und Jugendliche sich etwas gewünscht haben und dann ist es nicht passiert. Aber wenn man das professionell angeht, dann muss das Ziel sein, den Kindern und Jugendlichen auch den genauen Rahmen vorzugeben. Wenn es zum Beispiel einen neuen Spielplatz gibt, dann muss ich den Kindern klar machen, dass das kein Schwimmbad und keine Skaterramp wird, weil das der Bezirk nicht wollen wird. Und das sind die Rahmenbedingungen innerhalb derer wir uns etwas gemeinsam überlegen können. Und so ist die Realisierungsschance sehr groß, wenn ich es am Anfang ganz offen lasse, ist sie sehr klein.
Kumquat: Jetzt ist so ein Spielplatz ohnenhin schon ein geschützter Bereich. Wie sind die Möglichkeiten, wenn ich das Projektgebiet generell auf mein Umfeld beziehe?
H.P.: Das wird schon viel schwieriger, weil die Rahmenbedingungen extrem eng sind in so einer Großstadt. Bei dem Projekt im 2.Bezirk ist es hauptsächlich um diesen öffentlichen Raum abgesehen von Spielplätzen gegangen. Da haben wir uns darauf beschränkt, Kinder zu fragen, was sie im Moment tun und die Wünsche und Veränderungen mit den Eltern erarbeitet.
Im Moment probieren wir einen anderen Weg, und zwar in Form eines Kinderbeirates, wo wir mit einer 4. Klasse Volkschule ein Jahr lang an diesem Thema arbeiten. Und da habe ich durchaus die Hoffnung, dass das funktioniert, wenn man sich lange genug mit Kindern beschäftigt, kann man auch versuchen so komplexe Sachen zu bearbeiten. Das geht einfach nicht schnell, man soll die Kinder auch nicht damit frustrieren, wie kompliziert der Verwaltungsaufwand ist.
Kumquat: Von wem gehen die Initiativen für solche Projekte aus?
H.P.: Im Moment gehen die meisten Beteiligungsprojekte von Jugendorganisationen aus. Also Jugendzentren, mobile Jugendbetreuungen usw. Unser Projekt war eines der Stadtplanung, ein anderes Projekt für Kinderbeteiligung am Spielplatz war privat finanziert. Also ganz verschieden. Ich denke, der Weg über die Jugendorganisationen ist auch ein guter, weil die Betreuer/innen gut mit den Kindern und Jugendlichen reden können und auch ihre Bedürfnisse gut übersetzen können. Was dann oft schwierig ist, ist die räumliche Übersetzung, weil da braucht es dann eine gute Kooperation mit Leuten, die auch etwas planen können. Weil zu wissen, was Kinder brauchen, ist die eine Sache und wie man das umsetzt, ist die andere.
Kumquat: Gibt es bei solchen Prozessen auch manchmal Konflikte zwischen Eltern und Kindern? Wenn sich Kinder z.B. ein Umfeld wünschen, das den Vorstellungen der Eltern nicht entspricht, weil es ihnen halt schon wichtiger ist, das Auto vor der Haustüre parken zu können?
H.P.: Das kann es schon geben, aber größer sind die Spannungen natürlich mit Leuten die selber keine Kinder haben. Eltern können das zumindest ganz gut nachvollziehen, und haben gerade mit kleineren Kindern ja oft selber die Schwierigkeiten: "Wo gehe ich hin mit den Kindern? Im einen Fall gibt's Hunde, im anderen viele Autos!" Das ist bei Jugendlichen schon schwieriger, im Allgemeinen ist Kinderbeteiligung leichter als Jugendbeteiligung, weil die Wünsche der Kinder viel gesellschaftstauglicher sind. Was Jugendliche wollen ist oft schwerer umsetzbar, das macht Lärm und ist prinzipiell einfach weniger gewünscht.
Die größten Konflikte gibt es aber mit älteren Menschen, die die Wünsche schwer nachvollziehen können, da braucht man lang, um mit ihnen auch ins Gespräch zu kommen und ihnen das zu erklären, warum das wichtig ist. Am schwierigsten ist es z.B. in Gemeindebauten, ob man im Hof spielen darf oder nicht. Da gibt's viele ältere Leute, die ihre Ruhe haben wollen. Deswegen braucht es da auch sehr umfassende Projekte, es reicht nicht, nur Kinder zu beteiligen. Das geht auf einem Spielplatz, und auch da muss ich eine breite Erwachseneninformation betreiben, damit das auch abgesichert ist.
Kumquat: In dem Bereich gibt es auch den Begriff "Empowerment". Was bedeutet das?
H.P.: Empowerment bedeutet die Befähigung von jemandem, etwas selbst zu tun. Worüber wir jetzt gesprochen haben, ist eigentlich eine Beteiligung in Form von Projekten, das ist punktuell. Empowerment würde hier bedeuten, einen Schritt in Richtung Demokratisierung zu gehen. Also die Erfahrung zu machen, wie ist denn das, wenn man gefragt wird, wenn man Entscheidungen treffen kann und das bewirkt auch etwas. Und das betrifft mich mehr als einmal in vier Jahren ein Kreuzerl machen. Ich finde, das sind ganz wichtige Schritte, auch in Hinblick auf die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Demokratie ist einfach mehr, als wählen gehen. Und deswegen finde ich es wichtig, dass Kinder diese Erfahrungen machen können.
Kumquat: Ist von politischer Seite ein Wille zu spüren, Kinder und Jugendliche oder überhaupt Bürger/innen allgemein an Planungsprozessen zu beteiligen?
H. P.: Es gibt den Grundsatzbeschluss eigentlich schon, also in diesem 100-Punkte-Regierungsprogramm der Wiener Stadtregierung ist die Beteiligung von Menschen vorgesehen. Die großen Verfahren, die im Moment in Wien laufen, wie der Stadtentwicklungsplan, der Masterplan Verkehr, die strategische Umweltprüfung Nordost, werden durchaus mit Bürger/innenbeteiligung abgewickelt. Das ist schon Standard, dass man das nicht mehr einfach so im stillen Kämmerlein macht. Das Ausmaß der Bürger/innenbeteiligung ist verschieden, weil das manchmal eine ziemlich komplizierte Materie ist.
Zur Kinder- und Jugendbeteiligung gibt es zwar prinzipielles politisches Interesse, aber derzeit noch keinerlei konkrete Schritte. Es gibt auch keine Koordinationsstelle, d.h. man weiß nicht so leicht, wo man hingehen muss, wenn man ein Beteiligungprojekt verwirklichen will. Es läuft sehr verteilt, es gibt eine Frau, die koordiniert die Beteiligung im Rahmen von Schulen, aber darüber hinaus gibt es schon nichts mehr. Da müsste schon noch einiges passieren, um das auch wirklich anzudenken. Ich denke mir, es ist schon gut, wenn es auf Projektebene bleibt, aber ein bisschen Koordination würde es auch brauchen, damit man das auch weiter anregt. Und es braucht auch Geld, z.B. könnte man einen Topf für Beteiligungsprojekte einrichten, und wer auch immer so ein Projekt machen will, wird aus diesem Topf finanziert. Diesen Vorschlag gibt es als Anregung für die Politiker/innen, aber derzeit ist noch nichts passiert.
Kumquat: Gibt es konkrete Beispiele, wo eine kind- bzw. jugendgerechte Stadtplanung gelungen ist?
H.P.: Wir haben 2 solche Projekte gemacht. Das eine ist eine Spielplatzgestaltung, die wir mit Kindern gemacht haben. Ziel war damals, einen naturnahen Spielplatz zu machen, (der im Moment gerade gebaut wird) und zwar am Furtwänglerplatz im 13. Bezirk, wo wir versucht haben ,in Kooperation mit der Spiellandschaft Niederösterreich ein Modell zu erarbeiten, wie Kinderbeteiligung bei Spielplatzprojekten möglich sein kann. Das war ein dreitägiger Workshop mit Kindern, wo wir - ausgehend von dem, wie sie im Moment spielen - die Wünsche für diesen Platz erarbeitet haben. Parallel dazu haben wir auch eine Erwachsenenbeteiligung gemacht, um sie vor allem zu informieren, aber auch um deren Wünsche aufzunehmen. Wenn man Erwachsene beteiligt bei einem Spielplatz, geht es - kann man gleich sagen - primär um Parkplätze und Hunde, also da geht's nicht um's Spielen. Aber über die Erwachsenenwünsche kann ich mich als Planerin nicht einfach hinwegsetzen, weil sonst der Bezirk bald ziemliche Probleme mit diesem Spielplatz hat. Was wir dort gemacht haben und was sich sehr gut bewährt hat: Es hat Spielplatzpat/innen gegeben, das waren Eltern von Kindern aus der Gegend, die sozusagen unsere Ansprechpersonen waren für diesen ganzen Prozess und die uns auch immer wieder die Stimmung der Anrainer/innen geschildert haben. Dadurch haben wir auch leichter eingreifen können, wenn es ein Problem mit dem Geplanten gab, wenn zum Beispiel die Hecke zu hoch war, oder der Weg zu nah am Garten vorbeigegangen ist. Dann konnten wir in Kontakt mit den Anrainer/innen treten und versuchen, den Konflikt auszuräumen. Das ist ganz gut gelungen.
Das zweite Projekt dieser Art "Mehr Platz" hat im 2. Bezirk stattgefunden: Da haben wir versucht im öffentlichen Raum, abgesehen von Spielplätzen, mit Kindern und Eltern Maßnahmen für eine kindgerechtere Gestaltung zu entwickeln. Ausgegangen sind wir dabei von einer Schweizer Studie, die die Auswirkungen untersucht hat, was passiert, wenn Kinder zu wenig Platz haben. In dieser Studie wurde festgestellt, dass es durchaus einen Unterschied macht, ob sich Kinder allein, also unbegleitet, in ihrem Wohnumfeld bewegen können oder nicht. Bei denen, die das nicht können, sind wirklich Defizite festgestellt worden. Und in Wien ist es so, dass die Kinder praktisch nicht mehr allein rausgehen. Der einzige Weg, den Kinder allein machen, ist der Schulweg, ca. ab 8 Jahren, und auch das zum Teil nicht mehr, die werden oft mit dem Auto in die Schule gebracht. Natürlich deswegen, weil es gefährlich ist. Und das war der Ausgangspunkt: Wie kann ich ein Viertel so verändern, dass sich Kinder wieder allein bewegen können.
Die Ergebnisse sind relativ gering. Man muss einfach zugeben: In dicht bebauten Gebieten ist es irrsinnig schwer, etwas für Kinder zu verändern. Weil eines der Hauptanliegen der Eltern waren natürlich Verkehrsmaßnahmen, z. B. zusätzliche Zebrastreifen, Ampelanlagen, die schneller umspringen, wenn man draufdrückt, weil Kinder nicht so lange warten usw. Da hat der Bezirk versprochen im Zuge des U-Bahnbaus, wo auch viel an der Oberfläche verändert wird, einige Sachen zu verwirklichen. Dazu muss man aber sagen, dass Verkehrsmaßnahmen extrem teuer sind. Ein Zebrastreifen nicht, aber so eine Ampelanlage kostet schnell einmal € 100.000,-. Und so viel kostet normalerweise ein ganzes Projekt, das heißt man kann dann nicht mehr viel anderes machen. Wir haben dann versucht, andere Maßnahmen umzusetzen, die in die Richtung Attraktivierung des Straßenraumes gehen. Weil es für die Kinder ja oft auch keinen guten Grund mehr gibt rauszugehen, weil sie drinnen einfach viel machen können, z.B. Computerspielen, da muss man im Freien schon etwas bieten um da mithalten zu können. Es gibt auch teilweise zu wenig Kinder, es haben mir Kinder gesagt, sie dürfen im Hof spielen, aber es gibt keine Kinder mit denen sie sich treffen könnten, weil in vielen von diesen Gründerzeithäusern hauptsächlich ältere Menschen wohnen.
Wir haben dann versucht, über Kooperationen das Angebot zu erhöhen und haben Wirt/innen gesucht, die in ihren Schanigärten einen Teil für Kinder zur Verfügung stellen, beziehungsweise auch im Lokal den Kindern das Gefühl zu geben, dass sie dort willkommen sind und ihnen Dinge zur Verfügung zu stellen, mit denen sie spielen können.
Kumquat: Ist dieses Angebot für Kinder gedacht, die mit ihren Eltern dort hinkommen oder können sie dort auch allein hingehen?
h.p.: Im Grunde für Kinder, die mit ihren Eltern kommen. Wir wollten weiter gehen und auch ermöglichen, dass sie allein hingehen können, aber da bekommen wir extreme Haftungsprobleme. Diese Haftungsprobleme sind leider etwas, was uns sehr einschränkt bei vielen Sachen. Und das ist eine Tendenz, die immer größer wird. Das kommt ein bisschen aus Amerika, wo man einfach für alles mögliche geklagt wird. Die Stadt Wien hat auch Angst davor, weil es da auch schon Fälle gab. Zum Beispiel ein Fußballtor, das beim Umbau irgendwo angelehnt wurde und da hat sich dann jemand verletzt, da gab es dann einen riesigen Prozess. Das ist für mich eine sehr bedenkliche Tendenz, dass diese Eigenverantwortung immer mehr abnimmt und man versucht das immer umzulegen, irgendwer ist immer Schuld dran und das kann man dann einklagen. Das hat auf die Planung ziemlich schlechte Auswirkungen, weil man sich nichts mehr trauen kann, man kann keine Experimente mehr machen, weil niemand mehr sagt: "Ach macht's halt einfach so. Is' egal." Das passiert einfach nicht mehr, weil jeder schon überlegt: "Und was ist, wenn mich dann wer klagt."
Was wir im Zuge des Projektes noch gemacht haben waren Spielmarkierungen auf Gehsteigen. Das hat zwei Funktionen, einerseits sollen sie einfach anregen zum Spielen, zum Beispiel Tempelhüpfen, und außerdem sollen sie aber auch ein Zeichen sein, dass der Bezirk sagt: "Unsere öffentlichen Flächen gehören auch den Kindern!" Ich hab vorher schon erwähnt, dass viele Kinder sehr brav im öffentlichen Raum agieren und reagieren. Wir haben zum Beispiel Streifzüge mit Kindern durch den Bezirk gemacht, sie sollten uns zeigen wo sie spielen, und da ist herausgekommen, dass sie sich ganz wenig trauen. Sie gehen z.B. davon aus, dass man am Gehsteig nicht spielen darf. Und wir haben uns dann erkundigt und es ist so man darf dort nicht Fußball spielen, weil man wen behindern könnte, aber spielen ist nicht von vorne herein verboten. Und deswegen war das ein Versuch an Stellen, wo genug Platz ist, Kindern etwas anzubieten, wo man spielen darf, und auch ein Zeichen zu setzen: "Das ist auch euer Platz!" Weil ja Erwachsene ganz oft die Kinder verdrängen und sagen: "Weg da! Das macht man da nicht!" Ziel war auch, dem etwas entgegenzusetzen.
Kumquat: Und wenn wir uns den ländlichen Bereich anschauen. Wie schaut es da aus, ist da die Beteiligung leichter oder schwieriger?
h.p.: Also ganz konkret in Niederösterreich ist die Beteiligung bei der Spielplatzplanung sehr verbreitet. Dort gibt es den Verein "Spiellandschaft Niederösterreich", der solche Projekte abwickelt. Und dort ist das sehr viel stärker als in Wien verankert, obwohl es sehr auf Spielplätze reduziert ist. Wenn es um den öffentlichen Raum geht, wie beim Projekt "Mehr Platz!" passiert da wenig. Es ist natürlich auch ein kleineres Problem als in der Großstadt, aber ich wohne selbst in einer Kleinstadt in Niederösterreich und ich sehe das Problem ganz genauso. Also dass die Kinder tendenziell mit dem Auto in die Schule gebracht werden; dass die Kinder am Nachmittag betreut sind und deswegen gar nicht mehr draußen sein können; dass es eine ganz klare Fokusierung auf bestimmte Spielräume gibt, die man dann auch so ausstattet, dass aber niemand daran denkt z.B. einen Stadtplatz auch kindgerecht zu machen. Was ich total wichtig fände, das muss sich weiterhin mischen können, dass die Kinder überall Platz haben können.
kumquat: Gibt es da Ansätze von Plätzen wo diese Mischung funktioniert?
H.P.: Ein Teil von "Mehr Platz" war der Umbau des Karmeliterplatzes. im Prinzip war die Planung schon fertig, als wir zu diesen Projekt dazugekommen sind, und wir haben trotzdem versucht, mit den Planern, also der zuständigen Abteilung der Stadt Wien, (Magistratsabteilung 18) zu diskutieren, da hat es nämlich einen ziemlich intensiven Bürger/innenbeteiligungsprozess gegeben, der aber immer auf den Konflikt hinausgelaufen ist: Spielplatz oder urbaner Platz. Und wir haben versucht, darauf hin zu arbeiten, das sich das nicht ausschließt, also das man an einen urbanen Platz denken kann und trotzdem dort Kinderinteressen einbringen kann.
kumquat: Wie hätte der urbane Platz dort ausgeschaut?
H.P.: Wir haben dort nur kleine Veränderungen machen können, weil die Planung praktisch abgeschlossen war. Der Platz wird am Samstag eröffnet (28.9.) und der ist ein multifunktionaler Platz. Er ist mit Platten gepflastert, relativ offen, wo sich einfach relativ viel abspielen kann. Also kein schlechter Rahmen für unser Projekt, aber ich glaube, dass es einfach Anreize braucht, damit sich Kinder willkommen fühlen, damit sie ein Argument haben, dort zu sein. Eine Kleinigkeit, die wir dort angeregt haben: Es wird dort eine Kindervitrine geben, die von den Kindern selbst befüllt werden soll, es soll hier ein "Hosentaschenmuseum" entstehen, in dem Kinder Sachen, die sie gerade mithaben oder Lieblingsstücke ausstellen können. Die Idee dahinter ist, dass es dort immer etwas von Kindern für Kinder gibt und dass sie von Zeit zu Zeit hinschauen können, ob was von einem/r Freund /in dort hängt.
Im Rahmen dieser Eröffnungsaktion dürfen Kinder auch als Bodenmaler/innen tätig werden, die Malereien werden anschließend fixiert, so dass die Farben länger halten.
kumquat: Gibt es Städte, die man als Vorzeigebeispiel in Sachen Kinderbeteiligung nennen könnte?
H.P.: Prinzipiell gibt es zum Beispiel in Deutschland natürlich Städte die weiter sind in der Kinderbeteiligung. Die kindgerechte Gestaltung des öffentlichen Raumes hat nach meinem Gefühl niemand viel besser im Griff. Es gibt natürlich kleinere Städte, wo das leichter geht, aber von Großstädten kenn ich kein Beispiel. Das ist nirgends viel besser.
Eine Stadt mit sehr interessanten Spielplätzen ist zum Beispiel Freiburg. Die haben viele von diesen naturnahen Spielplätzen mit Kinderbeteiligung. Die haben auf der einen Seite die Naturnähe. Ich denke, es ist gut, wenn Großstadtkinder Erfahrung mit der Natur machen. Aber was ich fast noch wichtiger finde ist die Veränderbarkeit dieser Spielplätze.
Ein ganz großes Problem für Kinder in der Großstadt ist meiner Meinung nach, dass nichts veränderbar ist. Man kann nirgends Spuren hinterlassen, außer man zerstört etwas. In Wien kann man auf einem Spielplatz zum Beispiel keine Äste hinlegen, mit denen die Kinder dann spielen könnten. Da könnte man dann zumindest ein bisschen was verändern. Ich darf als Planerin auch keine Steine hinlegen, die man einfach schmeißen kann. Ich darf das nicht, da kriegt die Stadt Wien ein Haftungsproblem. Ich halte das für einen ganz großen Mangel, weil ich es für sehr problematisch finde, wenn jede Veränderung eine Zerstörung sein muss. Damit kriegen Kinder und Jugendliche ein ganz schlechtes Image. Und ich denke auch ein ganz schlechtes Selbstbild. Und verändern würde meiner Meinung nach einfach zum Aufwachsen dazugehören, dass ich zeigen kann, was ich drauf hab. Das beschränkt sich im Moment bei vielen Kindern auf Plastillin oder auf Basteln zu Hause und das ist nicht das Selbe!
Das Interview führte Martin Niegl, ehemaliger Gruppenleiter der Pfarre St. Thekla, er studiert Bauingenieurwesen an der TU Wien.
Nähere Informationen zum technischen Büro Plansinn unter www.plansinn.at