Schwarzes Sternsingen.

Über Rassismus und Antirassismus in der Jungschar-Geschichte

Antirassismus fängt vor der eigenen Türe an - nein: im eigenen Haus! Wie schaut es eigentlich bei der Jungschar dazu aus und wie war das in den 75 Jahren seit Gründung der Kath. Jungschar 1947? Dazu eine These, eine Antithese und ein Syntheseversuch.

These: Die Jungschar war und ist im Prinzip eine antirassistische Organisation!

Einprägsam war ein Erlebnis beim ersten Einkaufen für das JS-Sommerlager, zu dem ich als Gruppenhelfer damals mitkommen durfte. Man hatte mir den Auftrag erteilt, Pfirsichdosen zu kaufen. Brav hatte ich die günstigsten auf dem riesigen Metro-Einkaufswagen gestapelt, da kam der Lagerleiter und ... ließ mich alle wieder zurückräumen! „Wir kaufen keine Pfirsiche aus Südafrika!“, war seine klare Ansage. Wir befanden uns, 1988, in den letzten Jahren des Anti-Apartheid-Kampfes in Südafrika und die Jungschar hatte eine klare Position dazu. Wir nahmen also die Pfirsichdosen, teurer (und schlechter), aus Rumänien. Was ich damals nicht wusste, ist, dass die Dreikönigsaktion bereits sehr politische Projekte der Katholischen Kirche in Südafrika unterstützte, die sich für die Gleichberechtigung der Schwarzen Bevölkerung engagierte. Das Thema wurde auch in Österreich heftig diskutiert, nicht alle fanden den Wirtschaftsboykott gegen Südafrika gut. Und nicht alle lehnten den dortigen Rassismus ab - wir aber schon!

Ähnlich verhielt es sich bezüglich der indigenen Bevölkerung Brasiliens. Ebenfalls 1988 startete die Jungschar eine große Unterschriftenkampagne zur Verankerung der Rechte indigener Völker in der brasilianischen Verfassung, angeregt vom Vorarlberger Bischof Erwin Kräutler, von dem die Jungschar damals gerne und viel lernte. Mir erschien das alles recht selbstverständlich - erst später musste ich lernen, dass Indigene in Brasilien bis heute unterdrückt und systematisch diskriminiert werden, sehr intensiv derzeit unter Präsident Bolsonaro.

Beide Beispiele zeigen die antirassistische Haltung der Jungschar und ihrer Dreikönigsaktion, beide stehen vor dem Hintergrund eines engagierten Konzeptes von Mission, das auch in der Katholischen Kirche keineswegs von allen geteilt wurde: Die DKA hatte in mehreren Studientagen für sich erarbeitet, dass jegliche Mission und pastorale Arbeit die Würde aller Menschen betont. Mission müsse auf Augenhöhe passieren, sie soll ermächtigend wirken und Freiheit ermöglichen. Das war eine klare Absage an die alten missionarischen Konzepte, die von Glaubensverbreitung statt Dialog sprachen. Noch in den Nachkriegsjahrzehnten standen in vielen katholischen Kirchen Österreichs sogenannte „Nick-N****lein“. Das waren Holzfiguren mit einem Schlitz für Spenden für die Mission; warf man etwas ein, „nickte“ die Figur. Das war wohl die Spitze der durchaus rassistischen Vorstellung vom „dankbaren“ Schwarzen, der durch eine traditionelle Mission von seinem Unglück erlöst werden sollte. Nein, so waren wir nicht, das hat die Jungschar immer abgelehnt!

Antithese: Auch die Jungschar hat viele Stereotype verwendet

Sind wir also eh die Heiligen des Antirassismus? Leider gibt es auch eine andere Seite unserer Geschichte. Dazu ein Beispiel aus den 1960er Jahren: Damals wurde von der Kath. Jungschar Österreichs die sogenannte „Bubenweisheit“ herausgegeben, ein Behelf, in dem der „Lebenslauf“ des Jungscharbuben auch eine Phase mit dem Titel „Wakaiuk“ vorsah: Die Buben wurden in eine „Indianergemeinschaft“ aufgenommen. Dazu ein Zitat aus der „Bubenweisheit“ von 1965: „Wakaiuk, was soll das sein? ... Das sind die Jungscharbuben aus der 3. und 4. Volksschulklasse. Was der Namen eigentlich heißt, kann ich dir nicht sagen, weil das indianisch ist. ... Man bekommt bei der Aufnahme eine schöne FEDER und dazu das lederne TOTEM, das man sich an den Hosenbund hängt, und dazu noch so ein kleines Ausweisbüchl.“

Das war damals wahrscheinlich nicht als Abwertung von „Native Americans“, der indigenen Bewohner*innen der USA gemeint. Aber es handelt sich ganz klar um ein Stereotyp: Das Bild des „guten Indianers“, abgeleitet aus den Romanen von Karl May (1842–1912), in denen der edle, gute und tapfere „Winnetou“ eine wesentliche Rolle spielte.

Damit zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Dreikönigsaktion. Diese war und ist nie ganz frei von vergleichbaren Bildern: Haben wir nicht auch immer wieder Indigene als „edle Wilde“ dargestellt? Auch wenn wir auf solche Bezeichnungen verzichteten. Und wurden und werden nicht immer wieder Projekte so dargestellt, als würden die „Armen und Hilflosen“ nur darauf warten, dass „wir“ „ihnen“ „helfen“? Ich setze da jetzt alles unter Anführungszeichen, denn alleine schon die Gegenüberstellung von „wir“ und „ihnen“ macht viele Widersprüche unserer komplexen Welt unsichtbar. Und das Konzept des „Helfens“ hat nun einmal etwas Paternalistisches, also Bevormundendes. Auch wenn die DKA eigentlich Projekte fördert, die eben nicht paternalistisch sind, sondern Eigeninitiative unterstützen, befreiend und ermächtigend wirken - in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit setzen wir dann mitunter doch lieber auf das Bild der passiven Armen. Zum Glück nicht immer und überall.

Ja, und dann war da noch die Geschichte mit dem Schminken der Sternsinger*innen. Seit ca. 10 Jahren diskutieren wir darüber, ob denn das Schminken rassistisch ist oder nicht, wie es wahrgenommen wird, wie sich die Tradition wandelt oder wandeln sollte ... Im Jänner 2021 haben die Initiator*innen des Black Voice-Volksbegehrens einen Brief an die KJSÖ geschrieben und darin festgehalten:

„Wir, das Black Voices Volksbegehren, Österreichs erstes anti-rassistisches Volksbegehren, wenden uns heute mit dem Appell an Sie, auf die Tradition des Gesichtschwärzens weißer Kinder zu verzichten und dies auch öffentlich auszusprechen. [...] Sternsingen geht auch ohne Blackfacing! Das haben bereits viele Pfarren in Österreich und auch die Katholische Kirche in Deutschland gezeigt, die empfehlen, auf eine Bemalung der Sternsinger*innen zu verzichten. Es braucht aber eine einheitliche Position der Katholischen Jungschar, ein gemeinsames Unterlassen dieser Praxis.“

In den Pfarren unserer Erzdiözese hat sich die Praxis dazu in den letzten 10 Jahren stark verändert. Ich denke, es ist eine Tradition im Wandel und das Schminken wird bald Geschichte sein.

Synthese: Es bleibt viel zu lernen!

Antirassismus fängt zuhause, bei uns selbst an. Deshalb ist es wichtig, die eigene Geschichte nicht zu idealisieren - ohne die positiven Seiten zu verleugnen! Ich denke, da gibt es doch einiges in der Geschichte der Jungschar, auf das wir stolz sein können, weil es so viel antirassistisches Engagement gab und gibt.

Es bleibt die Frage, wie „bunt“ wir als Jungschar eigentlich sind. Aktuell machen migrantische Gruppen einen immer größeren Teil der Katholik*innen in der Erzdiözese Wien aus. Doch davon ist innerhalb der Jungschar noch recht wenig zu sehen; wir sind weiterhin Teil der (weißen, bürgerlichen...) Mehrheitsgesellschaft. Jesus war (aus heutiger Sicht) eine Person of Colour und er würde es sicherlich begrüßen, wenn die Jungschar „bunter“ werden würde!

Gerald Faschingeder

kumquat “Antirassismus” - 1/2022