Wann beginnt eine Gruppenstunde eigentlich?

Bevor die Kinder eintreffen, hat man als Gruppenleiter/in oft noch einiges zu tun: Ein Plakat muss noch geschrieben, ein Spiel noch überlegt werden. Und dann sind die ersten Kinder da und es geht schon los.
Doch wann beginnt eine Gruppenstunde eigentlich? Mit dem ersten Spiel? Wenn alle Kinder da sind? Wenn der/die Gruppenleiter/in fertig mit dem Vorbereiten ist?

Wenn ich an Veranstaltungen oder andere Zusammentreffen mit Leuten denke, dann hat für mich der Beginn einen nicht unerheblichen Anteil daran, wie mir diese gefallen und mit welcher Einstellung ich an die Sache herangehe: Komme ich etwa zu einer Veranstaltung, finde einen Wegweiser, wo ich hin muss, und werde dann nett begrüßt, so bin ich in der Regel recht positiv eingestellt, was denn da noch kommen mag. Meine Stimmung ist eine ganz andere, wenn sich – nehmen wir einmal an - Folgendes zuträgt: Ich komme kurz vor Beginn der Veranstaltung in den Raum, niemand ist zu sehen oder zu finden, nach und nach tröpfeln ein paar Leute herein, 10 Minuten nach dem offiziellen Beginn taucht eine Person auf, die sich als Leiter/in entpuppt, und beginnt, ohne sich weiter mit den Teilnehmer/innen zu befassen.

Genau wie in dem fiktiven Beispiel beginnt die Gruppenstunde eigentlich schon lange bevor du die erste Methode oder das erste Spiel erklärst. Und auch in der Gruppenstunde haben wir durch den Beginn die Möglichkeit, einen Rahmen und eine Atmosphäre für alle folgenden Dinge in der Gruppenstunde zu schaffen. Ich denke, es ist gut, sich das wieder einmal bewusst zu machen und die Möglichkeiten, die wir hier haben, auch zu nützen.

Die Eintrudel-Phase
Keine Frage: Ab und zu kommen wir ziemlich knapp zur Gruppenstunde und müssen noch dies oder das hervorholen und basteln, weil die Straßenbahn zu spät kam, weil man noch von einem Anruf aufgehalten wurde oder einfach weil dieser Tag soundso schon stressig war…
Es ist kein Problem, wenn der Anfang der Gruppenstunde ab und an etwas hektisch abläuft. Prinzipiell kannst du mit deiner Stimmung am Beginn der Gruppenstunde jedoch schon eine eher positive – freudig gespannte, entspannte Atmosphäre schaffen, die auf die Kinder, die in die Stunde kommen, wirkt. Deshalb zahlt es sich wirklich aus, zu überlegen:
Wie will ich die Kinder am Beginn empfangen? Wie viel Zeit möchte ich mir dafür nehmen? Was möchte ich während der Eintrudel-Phase mit den Kindern tun?

Viele Kinder nützen es gerne, schon etwas vor der eigentlichen Beginn-Zeit in die Stunde zu kommen. Das ist oft ein Zeichen dafür, dass sie diese Zeit vor der Stunde mit dir und den anderen Kindern schätzen. Meist sind noch nicht alle Kinder da, man kann schon eine Runde Fangen spielen oder aber einfach mal in Ruhe plaudern.
Wenn es dir gelingt, deine Vorbereitungen etwa eine Viertelstunde vor Beginn schon fertig zu haben, dann kannst du diese Zeit mit den Kindern in Ruhe genießen, für sie da sein. Hier erfährst du oft auch, wie die Kinder gerade drauf sind, ob sie gerade eine Schularbeit hatten, schon ganz aufgeregt sind, weil sie nächste Woche auf Schullandwoche fahren, u.v.m.
Viel von dem, was die Kinder aus ihrem Alltag in die Stunde mitbringen (und was immer eine Auswirkung auf die Stunde hat), kann hier Thema sein. Die Kinder erfahren dadurch, dass du dich für sie interessierst, du kannst die Kinder hier auch an deinem Tag teilhaben lassen und bekommst schon vor der Stunde die Stimmung der Kinder mit.

Alle sind da…
Je nachdem, wie groß deine Gruppe ist, ob es im Moment eher eine fixe Anzahl an Kindern gibt oder eher eine höhere Fluktuation, wird es einen Zeitpunkt geben, an dem du annimmst, dass alle Kinder da sind. Und nun möchtest du mit Spielen oder dem inhaltlichen Teil der Gruppenstunde beginnen.

Für die Kinder kann dieser Zeitpunkt sehr unklar sein – Wie lange wird noch gewartet? Auf wen wird gewartet? Ist noch Zeit für ein Spiel oder Zeit, etwas zu holen, oder geht es schon los?
Als Gruppenleiter/innen erwarten wir dann meist, dass die Kinder genau dann, wenn wir entscheiden, dass wir beginnen wollen, auch bereit dazu sind und wir sofort mit unserem Programm loslegen können. Dabei vergessen wir leicht, dass die Kinder vielleicht gerade mitten in einem Gespräch, einem Spiel… stecken – und wir sie schlicht und einfach dabei unterbrechen.
Eine Möglichkeit, das zu respektieren ist, die Kinder darauf hinzuweisen, dass du in zwei Minuten beginnen möchtest. Dann haben sie Zeit, sich darauf einzustellen und kennen sich aus, was passieren wird.

Ein Anfangsritual oder -spiel
Viele Gruppenleiter/innen haben das Gefühl, dass es gerade am Beginn schwierig ist, die Aufmerksamkeit der Kinder zu bekommen. Was dabei helfen kann, die Kinder ins Geschehen hereinzuholen, ist ein Ritual am Beginn, das den Kindern vertraut wird und ihnen signalisiert, dass es nun gemeinsam losgeht. Ein Ritual kann sehr unterschiedlich aussehen, z.B.: Alle stellen sich im Kreis auf und begrüßen einander mit einem selbsterfundenen Jungschar- oder Minispruch; ihr singt ein Lied; alle schließen die Augen und warten bis sie einen Händedruck spüren, der von dem/der Gruppenleiter/in im Kreis weitergeschickt wird; der/die Gruppenleiter/in begrüßt noch einmal alle herzlich und erzählt, was in der Stunde los sein wird,  u.v.m.
Was es auch immer ist, es soll für dich und für die Kinder (und ihr Alter) passend sein. Ein solches Ritual hilft, die Konzentration auf das zu lenken, was du nun mit den Kindern vorhast.

Es spricht auch gar nichts dagegen, am Beginn der Gruppenstunde gemeinsam ein Spiel zu spielen. Die Kinder wissen dann: Jetzt geht’s los und sind auch schon mitten im gemeinsamen Tun drinnen. Ein wichtiger Hinweis: Fangspiele helfen Kindern gerade nach langen, stressigen Schultagen, sich auszutoben und einmal richtig zu bewegen. Was Fangspiele jedoch nicht unbedingt bewirken ist, die Kinder ruhig werden zu lassen. Wenn du also das Gefühl hast, dass die Kinder Bewegung am Beginn gut gebrauchen können, dann empfiehlt es sich, um nachher auch gut weitermachen zu können, nach einem wilden Spiel ein ruhigeres einzuplanen oder aber ein Ritual (s.o.), das den Kindern hilft, wieder „runterzukommen“.

Der Einstieg
Und dann geht’s also los mit dem Programm. Hier können wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um es für die Kinder interessant zu machen – und es uns dadurch zu erleichtern, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.
Unruhe, Nicht-Zuhören usw. bei einer Spielerklärung hat nämlich nicht unbedingt nur etwas mit den Kindern zu tun – auch wir Gruppenleiter/innen können einiges im Positiven wie im Negativen dazu beitragen.
Was macht einen Einstieg für Kinder spannend?
Verkleidungen, ein/e Gruppenleiter/in, der/die als Professor/in XYZ, auftritt, ein Rätsel, das gelöst werden soll, ein witzig gestaltetes Plakat, ein Spiel, das zum Thema überleitet, Rollenspiele, u.v.m. Hier gilt es, aus dem ganzen Schatz an Methoden zu schöpfen, die uns als Gruppenleiter/innen zur Verfügung stehen.

Ein wesentlicher Punkt, wie und ob der Einstieg ins Programm gut gelingt, ist auch der Rahmen, in dem du den Kindern erklärst, worum es heute gehen wird. Der Ort kann dir dabei vieles erleichtern - oder aber erschweren. Schwierig wird es z.B. wahrscheinlich, wenn die Kinder gewöhnt sind, dabei auf den Pölstern im Gruppenraum herumzukugeln, oder die Erklärung an einem Platz stattfindet, an dem gerade viel los ist – neben einem Spielplatz, an einem Ort, an dem ständig Passant/innen vorbeikommen und interessiert schauen. In beiden Fällen wird die Aufmerksamkeit der Kinder – verständlicherweise – weniger bei dir als bei den interessanten Dingen rundherum liegen. Ähnliches wird der Fall sein, wenn die Kinder schon bei der Erklärung durch spannendes Material abgelenkt sind. Es ist toll, wenn Scheren, Bälle, Verkleidungen… usw. die Kinder zum Ausprobieren einladen – nur kannst du dir viel erleichtern, wenn das noch nicht während deiner Erklärung passiert, sondern Bastel- oder Spielmaterial erst danach herausgelegt wird.

Veränderungen ausprobieren
In unseren Gruppenstunden schleicht sich ja gerne dies oder das ein, was wir so nicht beabsichtigt haben, aber für die Kinder mittlerweile zur Gewohnheit geworden ist – das ist ganz normal. Aber wir haben auch die Chance, uns ab und zu bewusst zu überlegen, wie wir es denn wirklich haben wollen. Das macht den Rahmen der Stunde nicht nur für deine Kinder klarer, sondern dadurch auch für dich um einiges einfacher.

Vielleicht war in diesem Artikel die eine oder andere Anregung für dich dabei! Wenn du gerne etwas verändern oder etwas neu einführen möchtest, dann überleg dir gut, was und wie du das machen möchtest. Kinder sind Veränderungen gegenüber durchaus aufgeschlossen – Veränderungen bedeuten allerdings am Beginn auch immer eine gewisse Verunsicherung: Wird uns das gefallen? Warum sollen wir das anders machen? Das Alte war doch eh super! Dieser Unsicherheit kannst du begegnen, indem du den Kindern erklärst, was du dir dabei gedacht hast und dir eine nette Methode überlegst. Wenn du überzeugt davon bist und den Kindern und dir auch Zeit gibst, das Neue auszuprobieren – und gegebenenfalls auch zu verändern – dann ist die Chance, dass es klappt, sehr gut – und es zahlt sich sicherlich für dich und die Kinder aus!
Viel Spaß beim nächsten Beginn!

Andrea Jakoubi

[aus dem kumquat "und" 2008]