Ein Bericht von der 10. Armutskonferenz im Februar 2015
„Wohin geht Europa?“ war eine der zentralen Fragen der 10. Armutskonferenz dieses Jahr in Salzburg, die unter dem Motto Fortschritt, Rückschritt, Wechselschritt - 20 Jahre Armutspolitik und Politik gegen Armut von 23. bis 25. Februar 2015 in Salzburg mit 400 Teilnehmer/innen aus Wissenschaft, Selbsthilfeinitiativen, sozialen Organisationen, Bildungseinrichtungen und Armutsbetroffenen stattfand.
- Warum ist Armut ein solches Thema unserer doch so reichen Gesellschaft geworden?
- Was sind die Ursachen dafür?
- Was bedeutet Armut eigentlich, wie entsteht Sie? In welchen Bereichen des Lebens begegnet sie uns?
- Was macht sie mit den von Armut betroffenen Menschen?
- Wer ist überhaupt betroffen?
- Wie kann man sie konkret bekämpfen?
- Kann die Politik hier überhaupt noch etwas ausrichten?,
- und: Was wäre wenn wir in einer Gesellschaft leben würden, in der jeder alles hat was er braucht ohne dafür arbeiten zu „müssen“?
Dies sind nur einige der Fragen, die uns an diesen zwei Tagen begleitet haben. Unsere Schreibwerkzeuge krachten angesichts der Informationsflut, die uns angeboten wurde, anfangs beim Mitnotieren des Gehörten. Wir möchten euch hier einiges Interessantes berichten. Hoffentlich findet ihr es genauso spannend!
Wann gilt man eigentlich als arm?
Es gibt momentan 3 festgelegte Kernindikatoren, die auf Armut hinweisen und festlegen ab wann man Armut als solche festmachen kann:
- Wenn das Einkommen unter 60% des Medianeinkommens (durchschnittliches Einkommen in einem Land) beträgt.
- Materielle Deprivation, also das Fehlen materieller Güter, wie zum Beispiel Farb-TV, Essen, Urlaub, Auto, keine Zahlungsrückstände bei Strom und Heizung.
- Erwerbsbeteiligung: wenn die Erwerbsbeteiligung pro Haushalt sehr niedrig ist, also nur wenige Haushaltsmitglieder bezahlte Arbeit haben, kann man auch davon ausgehen dass Armut ein Thema ist. Heute haben auch in Österreich und der ganzen EU zu wenig Menschen Teilhabe am Arbeitsmarkt, wofür es vielerlei Ursachen gibt. ( hierhinein gehören Indikatoren wie Bildung, Aneignung von Kompetenzen veschiedener Art, soziales Kapital/background, Versagen des Arbeitsmarktes, zuwenig Arbeitsplätze …)
Armut in Europa – Hard Facts
- Heute ist jede/r 4. EU-Bürger/in arm oder sozial ausgegrenzt.
- In Deutschland sind 5 Millionen Menschen von Armut bedroht, wobei man hier zu einem großen Teil von sogenannten „working poor“ sprechen kann – also die Armut der arbeitenden Bevölkerung.
- In Österreich sind über 1.2 Millionen, also jeder 5., armutsgefährdet oder leben unter der Armutsgrenze, 38% der Menschen in Österreich können mit ihrem Einkommen nicht auskommen!
Ursachen von Armut und Armutsgefährdung
In einem der Vorträge kam Frau Prof. Unger von der Universität Utrecht auch auf die Ursachen von Armut zu sprechen. Dazu gehört allen voran die Tatsache, keine Erwerbsarbeitsstelle zu haben oder zu bekommen.
Ein Drittel der Personen die mehr als 6 Monate arbeitslos sind sind laut Statistik armutsgefährdet, da es oft schwer für die Betroffenen ist, wieder Fuß am Arbeitsmarkt zu fassen. Auch sich stark ändernde prekäre Dienstverhältnisse wie Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigungen führen immer wieder in verdeckte oder offensichtliche Langzeitarmut.
Andere mögliche Ursachen für Armut können unzureichende Bildung/Ausbildung, zu wenig Information über Partizipationsmöglichkeiten am gesellschaftlichen Leben oder Teilhabe an Sozialleistungen sein. Es gibt nach wie vor sogenannte U-Boote, die weder einer Arbeit nachgehen noch Sozialhilfen anfordern weil sie entweder nicht informiert sind oder sich schämen diese in Anspruch zu nehmen. Daraus folgende soziale Ausgrenzung und Verunsicherung können ebenfalls eine große Rolle in Armutsdynamiken spielen. Auch plötzlich auftretende Krankheiten oder Schicksalsschläge wie Tod eines Hauptverdieners in der Familie können in die Armut führen. Ein anderer Weg in die Armutsgefärdung ist oft ein unverschuldeter Jobverlust infolge von Arbeitsplatzreduzierungen.
Die vielen Gesichter
Die Leben von Menschen in vielen verschiedenen Lebenslagen sind gezeichnet von verschiedenen Aspekten der Armut. Auf der Armutskonferenz gab es einige Foren zu verschiedenen Themen.
Das Forum „Was machen wir mit den Notreisenden?“ behandelte viele Aspekte des Lebens von Menschen die ihre Heimat verlassen um Hilfe, einen sicheren Ort zum Leben oder Arbeit zu finden. Hier wurde von den Lebenswirklichkeiten und Problemen von Orangenplantagenarbeitern in Kalabrien erzählt. Auch die prekären Bedingungen von Menschen ohne Arbeitserlaubnis in Österreich wurden thematisiert.
Es wurde auch über das Thema Betteln gesprochen, spezifisch über Bettler und Bettlerinnen in Salzburg Stadt. Hier wurde von drei verschiedenen Gruppen erzählt, das fand ich sehr interessant. Es wurde klar, dass in Salzburg die Gruppe der Bettler und Bettlerinnen nicht nur aus Roma und Sinti besteht. Es wurde auch klar, dass in Salzburg nur 50 neue Notschlafplätze benötigt würden, um allen Bettlern eine Schlafstelle zur Verfügung zu stellen. Es zeigt sich also: Armut kann verbessert und auch verhindert werden.
Hannes Kröll, Straßenzeitungsverkäufer in Linz, sagt zum Abschluss der Konferenz: „Ich hatte vor der Krise nichts und hab jetzt nach der Krise auch nichts, und dazwischen hab i a nix ghabt. Also was soll das mit der Krise?“
Es wird also klar, dass Armut Menschen in eine andere Lebenswirklichkeit zwingt, als Menschen ohne finanzielle Problemen. In Armut zählen oft ganz andere Dinge als wirtschaftliche Veränderungen.
Katharina Gschwantner und Klara Maringele
Quellen: Armutskonferenz 2015, http://www.armutskonferenz.at
kumquat "zu wenig?" 2/2015