Haben Reiche weniger zu lachen?

Von der vermeintlichen Zufriedenheit durch materiellen Reichtum.

Glück, Freude, Spaß und Zufriedenheit - all diese Ziele und noch einige mehr werden frequentiert als erstrebenswerte Ziele gesehen – sowohl für das Individuum, als auch für die Gesamtgesellschaft. Oftmals wird uns von diversen Seiten, vor allem auch von der Werbung, vorgegeben, materieller Reichtum in Form von Geld oder Besitztümern bringt Zufriedenheit, Glück, Freu(n)de, Ausgeglichenheit, Ruhe… stimmt das denn oder ist es vielmehr so, dass Besitz belastet? Nicht nur den Kopf und den Körper, sondern auch die Seele. Reiche Menschen sind oft durch ihren materiellen Besitz belastet und gestresst, also ist es möglich, dass das Viel an Besitz ein Zuwenig an sozialer Nähe, Austausch und innerer Zufriedenheit mit sich bringt. Materieller Reichtum wird hauptsächlich quantitativ gemessen, wobei vor allem die Wörter ‚viel’ und ‚mehr’ zählen. Doch wie wird der immaterielle, der geistige und soziale Reichtum, der aber doch so essentiell für das Wohlbefinden ist, gemessen?

Materialismus macht glücklich…

Materieller Reichtum kann glücklich machen und prinzipiell ist es ja eigentlich toll, viel zu besitzen – oder? Im Jahr 1993 haben sich zwei Psychologen mit dieser Frage auseinandergesetzt. Tim Kasser und Richard Ryan beschäftigten sich in mehreren Studien mit dem Zusammenhang zwischen materiellen Anhäufungen und der dabei empfundenen Zufriedenheit der getesteten Personen. Das Ergebnis besagt, wer in seinem Leben vor allem nach Geld und Besitz strebt, ist unglücklicher als jene ohne große materielle Ansprüche. Materielle Besitztümer dominieren unser Denken und Handeln. Dies kann unter anderem dadurch erklärt werden, dass Menschen mit großem materiellem Reichtum eine starke individuelle Unabhängigkeit anstreben, wodurch sie sich von anderen Personen distanzieren. Manche verbringen ihre Freizeit gerne alleine, was in Folge die gegenseitige Unterstützung und Hilfsbereitschaft eher verringert. Außerdem werden Mitmenschen oftmals als Objekte und Konkurrent/innen betrachtet, die Vor - oder Nachteile bringen können - dies führt in Folge gern zu Unzufriedenheit, Misstrauen, Neid, Gier und geringer Empathiefähigkeit. In Summe fühlen sich materiell reiche Menschen eher ängstlicher, trauriger und beunruhigter, was auch mit der Sorge um ihre Position in der Gesellschaft zusammenhängen kann.

Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2012 von Psychologieprofessor Galen Bodenhausen und anderen zeigt dies nochmal in einem anderen Licht auf. In dieser Studie wurde anhand von mehreren Experimenten die Verbindung zwischen einer materiell reichen Gesellschaft und dem individuellen Wohlergehen untersucht. Bei einem dieser Experimente wurden 50 Proband/-innen zwei Kategorien von Bildern gezeigt. Einerseits Bilder von Luxusgütern (Juwelen, Uhren, Yachten, Autos, Kleidung) und dann zum anderen neutrale Bilder. Das Ergebnis war, dass jene Proband/innen, die Bilder von Luxusgütern gesehen hatten, sich unruhiger und gestresster fühlten - was, laut den Studien, an dem erwarteten Druck der Gesellschaft, diese Luxusgüter erwerben zu müssen, liegt. Einer Umgebung ausgesetzt zu sein, in der materielle Güter großen sozialen Wert besitzen und das Streben danach eine große Rolle spielt, setzt das Individuum unter Druck, kann zu Stress, Unsicherheit, Isolation führen und suggeriert, dass dies das einzig erstrebenswerte Ziel ist. Glücklich macht das sicher nicht.

…ist aber eben auch nicht alles.

Gerade deswegen ist es wichtig, dass nicht nur der materielle Reichtum quantitativ gemessen wird. Materieller Reichtum wird in vielen Gesellschaften als wichtig und erstrebenswert empfunden und auch oftmals allzu leicht mit Glück, Fortschritt und Freude gleichgesetzt.

Die Entwicklung einer Gesellschaft wird eben deshalb oft mittels quantitativer Werte, anhand verschiedener vergleichbarer Messmodelle, eruiert. Einer dieser Vergleichswerte ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP), also der Gesamtwert aller Güter (Waren und Dienstleistungen), die innerhalb eines Jahres innerhalb der Volkswirtschaft eines Landes hergestellt wurden und dem Endverbrauch dienen. Nachdem es aber auch Aufgabe der Politik ist, das menschliche Wohlergehen zu maximieren, haben sich viele Menschen, beginnend im letzten Jahrhundert, vermehrt darüber Gedanken gemacht, wie es möglich ist, schwer messbare Dinge wie Lebensqualität und Zufriedenheit quantitativ zu erfassen und ob eben dies auch als eine eventuelle Alternative zu gängigen Entwicklungsmessmodellen eines Landes, wie dem BIP (Bruttoinlandsprodukt), gesehen werden kann.

BIP versus BNG

Eines der prominentesten Beispiele für ein alternatives Konzept zur Messung der Entwicklung eines Landes ist das Bruttonationalglück (BNG) des Königreiches Bhutan, welches im Jahr 2008 in der nationalen Verfassung verankert wurde. Bei diesem Konzept wird versucht, den Lebensstandard, die Lebensqualität sowie die Zufriedenheit der Menschen im Bhutan quantitativ zu messen, um somit mehr über das Wohlergehen der Einwohner/innen Bescheid zu wissen. Die Idee des BNG ist, dass nur ein Zusammenspiel von materiellen, kulturellen und spirituellen Elementen die nachhaltig gesellschaftliche Entwicklung eines Landes ermöglichen kann. Das BNG bewirkt die Förderung einer sozial gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung, der Bewahrung und Förderung kultureller Werte, dem Schutz der Umwelt und der Errichtung von guten Regierungs- und Verwaltungsstrukturen. Die Kriterien, nach denen die „nationale Zufriedenheit“ berechnet wird, sind die ökonomische, ökologische, physische, mentale, soziale und politische „Gesundheit“, sowie Aspekte des Arbeitsplatzes. Bedeutend an diesem Konzept ist für mich, dass der sozialen und persönlichen Zufriedenheit die gleiche Bedeutung wie der ökonomischen zugestanden wird.

Mittlerweile haben auch schon zwei weitere Länder adaptierte Überlegungen zur Messung der Zufriedenheit der Bevölkerung in ihre Verfassungen aufgenommen. Ecuador verankerte das indigene Prinzip des „Sumak kawsay“ („gutes Leben“ in der Sprache Kichwa) im Jahr 2008 in ihrer nationalen Verfassung und Bolivien zog Ecuador im Jahr 2009 gleich, indem es „Suma qamaña“ („gutes Leben“ in der Sprache Aymara) in ihrer Verfassung verabschiedete. Das bedeutet, dass Zufriedenheit, Frieden und Sicherheit als fundamental für die Entwicklung einer Nation angesehen werden.

Happy Planet Index

Ein anderes Beispiel für eine alternative quantitative Messung für die Entwicklung einer Nation ist der Happy Planet Index (HPI). Bei diesem Index wird durch die Kombination von Lebenszufriedenheit, Lebenserwartung sowie des ökologischen Fußabdrucks die Zufriedenheit, Nachhaltigkeit und das ökologische Bewusstsein einer Gesellschaft berechnet. Weitere Infos sowie das Ranking der einzelnen Länder findest du auf der Homepage des Happy Planet Index.

Österreich liegt beim Happy Planet Index übrigens auf Platz 48 von 151. Die Messwerte, anhand derer der Happy Planet Index berechnet wird, sind das gefühlte Wohlergehen, die Lebenserwartung und der ökologische Fußabdruck. Während Österreich beim gefühlten Wohlergehen sowie der Lebenserwartung eine sehr gute Bewertung hat, schaut es leider beim ökologischen Fußabdruck sehr schlecht aus. Da liegt Österreich nur auf Platz 131 von 151, was noch einiges an Herausforderungen und Aufgaben mit sich bringt!

Mit welchem Konzept auch immer Wohlbefinden oder Zufriedenheit einer Gesellschaft bei der Entwicklung eines Landes gemessen werden, ein verbindendes Merkmal zeigen glücklicherweise alle diese Studien auf: Wir können alle reich sein. Reich an Wissen, Freu(n)den, Erfahrungen, Erlebnissen, schönen Momenten und Möglichkeiten – wenn wir das gut nützen, können wir zufrieden und glücklich der Welt unser schönstes Lächeln schenken.

Kathi Metzbauer

Quellen:
http://faculty.wcas.northwestern.edu/bodenhausen/BWKB2012.pdf
http://www.scientificamerican.com/article.cfm?id=can-money-buy-happiness
http://www.grossnationalhappiness.com
 
http://www.happyplanetindex.org/

kumquat "lol" 4/2013