Be a star oder „leider nein“?

Eine kleine Talentshow-Kritik

Heuer feiern Talent- und Castingshows wie „Popstars“, „Deutschland sucht den Superstar“, „Austrias next Topmodel“ und andere ihren zehnten Geburtstag im deutschsprachigen Raum! Ein Anlass sich kritisch mit der Suche nach den neuen Stars und Sternchen unter den jungen (und manchmal auch etwas älteren) Menschen auf unserem Globus auseinanderzusetzen.

Im Jahr 2000 begann der deutsche Privatsender RTL 2 (später wurde das Format von Pro7 gekauft) mit der Ausstrahlung der Castingshow „Popstars“. Seit dem werden in dieser Show jährlich neue Stars gesucht und „gemacht“. Bereits 2002 ist der österreichische Fernsehsender ORF mit seinem Format „Starmania“ nachgezogen, und hat seitdem in vier Staffeln junge Menschen aus Österreich auf tausende Bildschirme in österreichischen Wohnungen gebracht. Waren es bei der ersten Staffel von „Popstars“ noch 4500 junge Mädchen (damals wurde die Band „NoAngels“ gecastet) waren es 2009 bereits 5211 potentielle Stars, die stundenlanges Warten auf sich genommen haben, um vor der Jury und den Fernsehkameras ihr Talent unter Beweis zu stellen. Für „Deutschland sucht den Superstar“ bewarben sich 2010 sogar mehr als 34.000 Menschen! In Österreich nahmen 2008 rund 2400 Sänger/innen an den Castings zur vierten Staffel von Starmania teil, die Oliver Wimmer im  Jänner 2009 gewann.
Namen wie Dieter Bohlen, Detlev D. Soost und Roman Gregory stehen seither für mehr oder weniger harte und qualifizierte Kritik an den Talenten der Teilnehmer/innen bzw. den Teilnehmer/innen selbst.

Kritik bekommen aber nicht nur die Kanditat/innen, sondern auch die Sendungen an sich. Ehemalige Teilnehmer/innen und Juror/innen, sowie die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), in Deutschland  kritisieren die boomenden Talent- und Castingshows. Antisoziales Verhalten, so die KJM, werde von einer Identifikationsfigur wie Dieter Bohlen als cool und erfolgversprechend dargestellt. Respektlosigkeiten im Umgang miteinander gehörten zur Machart der Sendung. In einem Massenmedium werde vorgeführt, wie Menschen herabgesetzt, verspottet und lächerlich gemacht werden. Antisoziales Verhalten werde auf diese Weise als Normalität dargestellt. Dies könne Werten wie Mitgefühl, Respekt und Solidarität mit anderen entgegenwirken, so die KJM.
Markus Krimm, ein Ex-Kandidat, kritisiert, dass es in der Sendung mehr um das Ausschlachten von persönlichen Schicksalen geht als um gute Stimmen: „Wer nicht mindestens ein schweres Schicksal hat, das sich kamerawirksam ausschlachten lässt, der hat kaum eine Chance.“  Dies unterstreicht der deutsche Rapper Sido, ein Juror, der von einer Ampel im Studio erzählt, welche die Zuschauer/innen und die Kandidat/innen nicht sehen können - nur die Jury! „Wenn jemand vorne stand und vorsang, wurde uns von den Machern der Show damit signalisiert, wer weiterkommen soll und wer nicht. Blinkte Rot auf, mussten wir „Nein“ sagen. Bei Grün sollte der Kandidat weiterkommen. Auch wenn er nix kann - nur aufgrund einer spannenden Geschichte.“ Auch das Mindestalter der Teilnehmer/innen ist Grund für Kritik. Während im Jahr 2000 die jüngsten Teilnehmer/innen 18 Jahre alt waren, wurde das Mindestalter später auf 16 Jahre heruntergesetzt. „Wenn jemand die Schule oder die Ausbildung abbricht und mit Riesenvisionen dahin geht ..., und sich dann nach ein paar Monaten von heute auf morgen niemand mehr für so einen Menschen interessiert, das ist schon ein psychisches Trauma“ so Nadja Benaissa, eine Ex-Kandidatin. Doch die Auswirkungen von dem realen Druck, der bewusst und absichtlich auf die Teilnehmer/innen ausgeübt wird, damit möglichst viele Emotionen hoch kommen, sind wohl kaum abzuschätzen, da man von den meisten „Stars“ ein – zwei Jahre nach ihrem „großen“  Erfolg (bei den 2., 3. und allen anderen Teilnehmer/innen schon bei Weitem früher) nichts mehr zu hören bekommt.

Während in den bisher genannten Formaten ausschließlich Gesangstalente gesucht werden, können in der Talentshow „Das Supertalent“ (ausgestrahlt auf RTL) Menschen mit allen möglichen Begabungen vor die Jury treten und am Ende 100.000 Euro gewinnen. Unter anderem werden dann Turnen, Trompete Spielen, Beatboxen, Tanz, Jonglieren, Hundedressur und (auch hier) Singen miteinander verglichen und unter Einbeziehung des Publikums ein/e Sieger/in gekürt, ein bisschen kann einem/r das wie „Äpfel mit Birnen vergleichen“ vorkommen. Einerseits ist die Vielfalt an den Talenten, die uns geschenkt wurden, hier wenigstens berücksichtig, aber dass schon Kinder an den Talentshows teilnehmen, wird sogar von der Jury kritisch gesehen.

Grundsätzlich halte ich die Ausstrahlung solcher Sendungen für sehr problematisch. Einerseits wird den Zuseher/innen suggeriert, wie man singen, tanzen, jonglieren, aussehen… muss, um es zu „etwas“ zu bringen (gleichzeitig wird auch definiert wann man „etwas“ ist!!), und auf der anderen Seite werden die Teilnehmer/innen in Rollen und Muster gedrängt und ausgebeutet.
Jury Mitglieder solcher Talent-Shows werden zu Richter/innen stilisiert und manipulieren junge Menschen. Sie definieren nach ihrer subjektiven Wahrnehmung, wer schön ist, wer gut singen kann, wer Talent hat.

Doch nicht nur die offenbar fehlende Objektivität und der mangelnde Realitätsbezug in diesen Shows machen diese so konfliktreich, sondern das Faktum, dass Konkurrenz und das Gegeneinander gefördert, ja heraufbeschworen werden. Wie bereits erwähnt, ist der physische und psychische Druck, der auf die Kanditat/innen ausgeübt wird enorm. Durch die Ausscheidemodalitäten fühlen sich die Männer und Frauen zu höchster Rivalität genötigt, und legen ein Verhalten an den Tag, dass ihnen vielleicht selbst oft unangenehm ist, ohne das sie aber ihr Weiterkommen in der Show gefährdet sehen. „Zickenkrieg“ und Psychospielchen stehen oft auf der Tagesordnung und machen allen Beteiligten das Leben schwer. Diese provozierte Konkurrenz steht im krassen Gegensatz zu allem, was wir in der Jungschar gut heißen, vom Gegensatz zu den christlichen Grundwerten, wie Nächstenliebe und dem friedlichen Miteinander  ganz zu schweigen. Wirklich wichtige soziale Fähigkeiten, wie Mitgefühl, Warmherzigkeit, Freundlichkeit, Loyalität, …  werden als banal und unnütz hingestellt und die Jugendlichen und Kinder die solche Castingshows ansehen und vielleicht sogar ihre Vorbilder dort finden, lernen hier im besten Fall, wie man es NICHT machen sollte.

Mein Fazit:  Wir alle haben unsere Talente und Stärken und viele davon sind nicht messbar (und das müssen sie auch nicht sein!) Nächstenliebe, Großzügigkeit, Herzlichkeit, Empathie, Hilfsbereitschaft, Loyalität, … . Werte, die im sozialen Miteinander gefragt sind, lassen sich nicht bei einer Casting-Show prämieren, und das ist gut so! Oder vielleicht dürfen wir auf ein neues Format „Austrias next social Star“ gespannt sein?

Nika Fürhapter

aus dem kumquat "AlT" 4/2010