Im Märchen sind alle Menschen weiß

Rassistisch sein? Hab ich gelernt...

Babys können schon früh (mit etwa 6 Monaten) die Hautfarbe von Menschen unterscheiden. Natürlich heißt das für sie noch gar nichts, außer vielleicht, dass sie Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe öfter sehen als andere, diese Hautfarbe ihnen dadurch also vertrauter ist. Im Alter von etwa drei bis fünf Jahren lernen sie dann aber schon, dass diese Hautfarben auch eine gesellschaftliche Relevanz haben. Bereits im Kinder- gartenalter zeigen Kinder Verhalten, das auf erlernte Vorurteile schließen lässt, zum Beispiel indem sie sich weigern, neben einem bestimmten Kind zu sitzen, weil es „anders aussieht“ oder „komisch redet“. Dass schon dreijährige Kinder die gesellschaftlichen Vorurteile verinnerlicht haben, zeigt uns, wie rassistisch unsere Gesellschaft funktioniert .

Im Kindesalter erfahren wir durch Bücher von den Lebensreali- täten anderer Kinder, wir lernen andere Welten (reale oder auch surreale) kennen. Dadurch lernen wir auch Empathie für andere Kinder. Wenn jetzt in diesen Kinderbüchern und Geschichten alle Kinder weiß sind, dann lernen wir also Empathie für weiße Kinder, nicht aber für alle anderen. Wenn BIPoC Kinder diese Bücher anschauen, dann finden sie sich nicht repräsentiert und finden keine Held*innen mit denen sie sich identifizieren können. Auch für sie ist dann die gelernte Empathie bei weißen Kindern.

Doch nicht nur Kinderbücher prägen unser Umfeld, auch durch viele andere Medien, wie Filme, Serien, Comics, traditionelle Reime, Märchen oder Lieder erfahren wir (als Kinder, aber auch als Erwachsene) Bildung und Erziehung. So lernen Kinder (unbewusst) wer „gut“ und wer „böse“ ist, wer die Held*innen sind und wer eine Nebenrolle spielt. Denk doch selber mal nach, wie viele Filme, Serien oder Bücher dir spontan einfallen, wo eine nicht-weiße Person die (einzige) Hauptrolle hat. Kennst du irgendein Märchen, wo es um einen nicht-weißen Charakter geht?

Welche Charaktereigenschaften werden weißen und welche Schwarzen Personen in verschiedenen Medien zuge- schrieben? Das sind genau die Dinge, aus denen auch Kinder die Vorurteile unserer Gesellschaft lernen. Das ist wichtig zu beachten: Kinder lernen von der Gesellschaft, von den Taten und Gegebenheiten, die ihren Alltag prägen, nicht von Worten allein. Wir können also oft sagen: „Alle Menschen sind gleich, wir dürfen niemanden diskriminieren.“ Wenn wir den Kindern das nicht vorleben, dann werden sie es anders tun.

Diese Verinnerlichung von gesellschaftlichen Gegebenheiten ist es, die uns alle prägt. Als Kinder lernen wir diesen Rassismus, der uns überall im Alltag begegnet, der in allen Systemen, Insti- tutionen, gesellschaftlichen Begegnungen zu finden ist. Daher tragen wir das alle in uns, auch wenn wir sehr viel daran arbei- ten, uns eben nicht so zu verhalten.

Check your privileges!

Ich habe also als weiße Person schon aufgrund meiner Hautfarbe gewisse Privilegien, also Vorteile, in unserer Gesellschaft die eine Schwarze Person so nie haben wird. Umgekehrt sind BIPoC von rassistischen Diskriminierungen betroffen, die ich als weiße Person nie erfahren werde. Wir müssen uns bewusst sein, dass weiß sein in unser Gesellschaft als die Norm betrachtet wird.

Doch bedeutet das zugleich, dass unsere Art des Zusammenle- bens alternativlos ist? Um aus diesem uns gelernten Systemen auszubrechen sind zwei Dinge wichtig: Erstens sich mit dem eigenen Wissen über Rassismus zu beschäftigen und zwei tens sich mit den eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung auseinanderzusetzen. Dabei fällt schnell auf, dass jede*r Teil unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen ist, die Vorteile aber auch Nachteile eröffnen können. Wir sind nicht nur Teil einer einzelnen Gruppe, sondern gehören unterschiedlichen an, zum Beispiel aufgrund unserer Herkunft, Geschlecht, Alter, Bildungshintergrund. Je nach Zugehörigkeiten sind manche Personen dadurch mehrfachen Formen der Diskriminierung ausgesetzt.

Durch die Zugehörigkeit zu manchen Gruppen ergeben sich bestimmte Privilegien. Dies sind Vorteile, die Menschen haben bzw. eben nicht. Das besondere an Privilegien ist, dass sie ohne eigenes Zutun Vorteile verschaffen. Diese Chancenungleichheit, die in unserer Gesellschaft leider Realität ist, zu reflektie- ren und sich ihrer bewusst zu sein ist wichtig, denn nur dadurch lassen sich Ungleichheiten aufdecken, benennen und gesellschaftliche Missstände aufzeigen und verändern.

Wenn wir uns mit unseren Privilegien beschäftigen ist es wichtig, nicht in Ohnmacht zu verfallen. Es kann leicht passieren, dass wir uns für unsere Privilegien schämen, vielleicht ein Schuldgefühl ent- wickeln und das kann uns lähmen. Wichtig ist es, nicht zu denken, das ist so und da kann ich nichts tun. Denn jede*r kann zu einem Aufbrechen dieser Strukturen beitragen. Wir können sehr wohl unsere eigenen Privilegien nutzen, um uns für benachtei- ligte Menschen stark zu machen und einzusetzen. Aber wie? Wie kann ich gegen Rassismus aufstehen?

Sei ein*e Verbündete*r!

Rassistische Aussagen, Stammtischparolen, Vorurteile gegen vermeintlich „Andere“, .... wir begegnen ihnen immer wieder in unserem Alltag. Wir sind alle aufgefordert, gegen rassistische Äußerungen auf- zustehen und diese nicht einfach im Raum stehen zu lassen. Eine antirassistische Haltung und Einstellung bedeutet nicht nur nicht selbst rassistisch zu sein, sondern eine aktive Position gegen Rassismus einzunehmen. Sie bedeutet auch, solidarisch zu sein, sich mit dem, was man hat, gegen Rassismus einzusetzen - eben auch mit den eigenen Privilegien. Wir können unseren (erleich- terten) Zugang zu bestimmten Institu- tionen zum Beispiel ausnützen, um uns dort aktiv für benachteiligte Menschen einzusetzen.

Gerade auch in Gruppenstunden geht es dabei nicht darum jegliche rassi-stische Äußerung zu verbieten, sondern wichtig ist es, sich damit ausein- derzusetzen, darüber zu sprechen und diese zu hinterfragen.

Hier ein paar Tipps, wie du antirassistisch agieren kannst:

  • Informiere dich! - gratuliere, wenn du das hier liest, hast du schonmal etwas für deine Bildung zu antirassistischen Themen getan!
  • Nimm deine Privilegien wahr, erkenne sie an. Rassismus ist ein Herr- schaftssystem, das schon sehr alt ist und darauf beruht BIPoC zu unter- drücken und auszubeuten, daher kann niemals eine weiße Person von Rassismus betroffen sein
  • Nutze deine Privilegien!
  • Sprich rassistische Äußerungen und Handlungen IMMER an*
  • Nimm Feedback in Bezug auf deine eigenen Handlungen oder Aussagen an (vor allem von von Rassismus betroffenen Menschen)
  • Solidarisiere dich mit von Rassismus betroffenen Menschen!
  • Sei ein*e Verbündete*r für alle, die gegen Rassismus aufstehen!
  • Hör zu, was von Rassismus betroffene Menschen sagen!
  • Reagiere auf Fragen von Kindern zu Hautfarbe oder Aussehen einer Person nicht mit „Psst, das sagt man nicht!“, sondern erkläre es ihnen sachlich. (Zum Beispiel: die Hautfarbe hängt von der Menge des Stoffes Melanin im Körper ab, je mehr desto dunkler die Haut.)
  • Sprich nicht für, sondern MIT BIPoC
  • Lenke beim Thema Rassismus nicht ab, sondern sprich darüber, lass Diskussionen zu und diskutiere mit!
  • Tausch dich mit Gleichgesinnten aus und bestärkt einander!

*Tipp: wenn du mit Sternsingkindern unterwegs bist, kann es auch passieren, dass du mit rassistischen Handlungen konfrontiert wirst. Du kannst dir einige rote Kärtchen mitnehmen, auf denen Stopp! steht und es Menschen einfach in die Hand geben. Das macht sie darauf aufmerksam, dass sie etwas getan haben, was nicht ok ist und du kannst eine vielleicht mühsame Diskussion vermeiden oder unterbrechen.