Nimm mich ernst - und spiel dich nicht mit mir!

Über das ernst Nehmen von Kindern.

„Lass sie nur schreien!“, „Der weint ja nur, weil er Aufmerksamkeit haben will!“, „Führ dich nicht so auf!“, „Dafür bist du noch zu klein!“, „Sei nicht so ein Baby!“, ...

Diese Sätze und noch viele ähnliche hören Kinder in ihrem Leben oft. Es sind Sätze, die ausdrücken, dass Erwachsene sie in der Situation gerade nicht ernst nehmen.

Die Meinungen von Kindern und Erwachsenen werden selten als gleichwertig erachtet.. Natürlich sind Erwachsene Kindern viele Jahre voraus und haben ein deutlich größeres Wissen, das heißt aber nicht, dass man die Meinungen von Kindern nicht ernst nehmen muss.

Viel zu oft werden Kinder deshalb bevormundet, ausgeschlossen und auch im Weiteren dadurch nicht wertgeschätzt.

Wenn solche  Situationen immer wieder passieren und Kinder in ihrer Souveränität nicht ernst genommen werden, kann das die Beziehung zwischen Kind und Erwachsenen stark negativ beeinflussen.

Wer Kinder nicht ernst nimmt und sich zu lange mit ihnen spielt, kann davon ausgehen, dass ihm/ihr das Kind bald nicht mehr vertraut und auch im Umkehrschluss, dass es den/die Erwachsenen nicht mehr ernst nehmen wird. Denn wer immer wieder die Meinungen, Entscheidungen oder Bedürfnisse nicht anerkennt, ist für das Kind keine vertrauenswürdige Person.

Wieso sollte man sich auch jemandem anvertrauen, der/die einem/r wahrscheinlich eh nicht glaubt?

Es ist ein Spiel zwischen beiden: nur wer Kinder ernst nimmt, kann auch darauf hoffen von Kindern ernstgenommen zu werden.

Meinungen ändern sich schnell

Kinder unterscheiden sich in vielen Punkten von Erwachsenen. Das macht es Erwachsenen oft so schwer, sich in deren Situation hinein zu versetzen. Sie haben vergessen wie Kinder ticken, dass die Welt in der sich Kinder bewegen oft eine ganz andere ist. Die Sicht der Kinder auf die Welt ist für Erwachsene oft nicht mehr nachvollziehbar.

Kinder leben im Moment. Sie sind wesentlich weniger zukunftsorientiert als Erwachsene. Daher ist es auch nicht so ungewöhnlich die Meinung schnell mal zu ändern. Heute liebt das Kind Erdbeeren und die Farbe Gelb. In ein paar Wochen kann das aber schon wieder ganz anders aussehen.  

Auch Beziehungen können sich schnell verändern.

Ein kleiner Streit mit dem besten Freund ist dann aktuell ein riesiges Problem. Das Kind verliert ja im Moment eine ganz wichtige Bezugsperson. Da kann es nicht über anderes nachdenken, und wenn dann noch ein/e Erwachsene/r sagt, dass das eh nicht so schlimm sei, man könne ja einfach mit jemand anderem spielen, dann fühlt man sich definitiv nicht ernst genommen.

Es kann auch sein, dass das Kind am nächsten Tag schon wieder einen neuen Freund hat, oder sich die besten Freundinnen und Freunde wöchentlich abwechseln, aber trotzdem ist das Kind in diesem Moment sehr verletzt und braucht jemanden, der es ernst nimmt und nicht „abschaselt“.

Konkret bleiben

Wie bereits erwähnt ist es wichtig im Moment zu bleiben. Abstrakte Lösungen helfen Kindern nicht. Mit „Es wird schon wieder alles gut!“ und „Bis du heiratest ist alles wieder gut!“ hilft man einem Kind (auch einem Erwachsenen) nicht weiter.

Es sind einfach abgedroschene Phrasen, die Erwachsene immer wieder benutzen, um sich keine echten Lösungen überlegen zu müssen.

Wenn Erwachsene Kinder nicht ernst nehmen, wollen sie es sich meistens leicht machen. Doch das funktioniert nicht wirklich. Nur mit konkreten Vorschlägen kann man dem Kind helfen.

Körperlichkeit

Für viele Erwachsene reagieren Kinder oft überzogen. Kinder weinen, schreien, werfen sich auf den Boden, trampeln.

Sie haben einerseits noch nicht den Sprachschatz, um viele ihrer Unzufriedenheiten ausführlich zu beschreiben, außerdem haben sie noch nicht, wie die meisten Erwachsenen verlernt, ihren Körper und ihre Gefühle wahrzunehmen und diesen auch Ausdruck zu verleihen.

Kinder drücken noch viel mehr über ihren Körper aus, sowohl freudige Gefühle als auch traurige. Freuen sie sich über etwas wird man herzlich umarmt, sind sie wütend, knallt schnell mal eine Tür.

Erwachsene können damit oft schwer umgehen, es verunsichert sie und drängt sie daher leicht in die Position, Kinder in solchen Situationen weniger ernst zu nehmen.

Ein Bewusstsein, um diese Körperlichkeit macht es Erwachsenen sicherlich einfacher, Kindern die entsprechende Wertschätzung entgegen zu bringen, die sie in diesem Moment brauchen.

Jede Meinung ist wichtig

Als erwachsene Menschen ist es unsere Aufgabe, Kinder ernst zu nehmen. Nur wenn sie die Erfahrung machen, dass ihre Meinung etwas wert ist, können sie groß und stark werden.

Auch in der Charta der Kinderrechte ist das Recht auf eine eigene Meinung verankert. Beispielsweise besagt der Artikel 12, dass sich Kinder ihre Meinung selbst bilden dürfen, sie frei äußern dürfen und diese auch entsprechend ihres Alters und Reife zu berücksichtigen ist.

Also haben Kinder, egal wann und wo auf der Welt, ein Recht darauf, ihre eigene Meinung zu haben und weiter haben sie das Recht, dass diese Meinung auch von den Erwachsenen gehört wird.

Daher sollten wir Erwachsene unsere Ohren ausputzen und aufklappen für das was Kinder uns zu sagen haben. Denn sogar ein altes Sprichwort sagt „Kindermund tut Wahrheit kund!“ :) Daher Ohren auf, Kindern zuhören und sie ernst nehmen!

Kathi Bereis

kumquat "Spiel MIT mir!" 3/2016