Wie sieht die Welt derzeit eigentlich aus der Sicht von Kindern aus?

Wirtschafts- und Finanzkrisen, Klimawandel, Flüchtlingskrise, manche sprechen sogar von einem schleichenden Dritten Weltkrieg, so z.B. Papst Franziskus in Sarajevo 2015 oder jüngst Claus Peymann im „Kurier“.

Angst liegt in der Luft. Angst vor dem Verlust des Wohlstandes und vor Armut. Angst vor Terror und sozialen Konflikten. Angst vor den vielen Flüchtlingen, die uns nun Kunde von einer Welt bringen, in der Krieg und Not für viele Menschen Alltag sind. Angst vor Veränderungen und einer ungewissen, gefährlichen und schwierigen Zukunft.

In einer Welt globaler Kommunikation bleiben diese Entwicklungen auch Kindern nicht verborgen. Über die Medien, ihre Mobiltelefone, über soziale Netzwerke sind sie mitten drin im Geschehen.

Christinnen und Christen dürfen hoffen, dass sich auch in schwierigen Zeiten Lösungen finden lassen. Angst gilt als schlechte Ratgeberin. Nicht umsonst fordert die Heilige Schrift 366 mal auf: „Fürchtet Euch nicht!“.

Wenn wir uns nicht fürchten müssen, können wir handeln. Der christliche Glaube wird im Handeln konkret. Er vertröstet nicht und blendet auch böse Wirklichkeiten nicht aus. Weil Gott mit uns ist, können wir uns den Katastrophen und Nöten der Zeit stellen.

Für die Kinderpastoral bedeutet das:

Kinder wachsen in eine schwierige und herausfordernde Zeit hinein. Sie brauchen dafür Schon- und Schutzräume. Das bedeutet aber nicht, dass die vielen Schwierigkeiten der Gegenwart von ihnen ferngehalten werden. Kinder brauchen keine abgeschotteten, irrealen Sonderwelten. Sie brauchen jedoch Räume, in denen sie mit Erwachsenen über „die Welt“ nachdenken können. Sie brauchen Orte, wo sie ihre Sorgen, Ängste, Hoffnungen und auch ihre Ideen einbringen und ausprobieren können. Wo sie lernen können, was und dass sie selbst etwas tun können, damit die Welt ein bisschen besser wird. Sie brauchen Räume, in denen sie Resilienz einüben können: jene Kompetenzen, die ihnen helfen, eine schwierige Zeit zu meistern. Dazu gehört z.B. Fehler machen zu dürfen, erfahren, dass man nicht alle Probleme allein lösen muss, ermutigt werden, aktiv zu werden.

In den Pfarren können wir solche Räume bereitstellen - unabhängig davon, ob die Kinder gläubig sind oder nicht. In solchen Räumen kann sich erschließen, dass Glauben bedeutet, mit Gott einen Weg zu gehen und gerade in schwierigen Zeiten mit ihm sprechen, lachen und streiten zu können. Die Erzählungen der Bibel, das gemeinsame Beten und Feiern bekommen überhaupt erst ihren tieferen Sinn, wenn sie solcherart in das konkrete Leben in DIESER Welt eingebettet sind. Die schwierige Welt wird nicht behübscht, sondern Kinder können mit Gott lernen, in dieser Welt stark zu sein. Gott traut ihnen das zu. Wir Erwachsenen auch?

Eine Praxis, die Kinder solcherart ernst nimmt, mit ihnen gemeinsam in eine neue Zeit aufbricht, nenne ich „Barmherzigkeit“. Das hat nichts mit Mitleid und Verschonung zu tun. Barmherzigkeit hängt mit Wahrheitsliebe, mit der Sehnsucht nach Freiheit und dem Einsatz für Gerechtigkeit zusammen. Jungschar kann Räume öffnen, in denen das – im ganz normalen Alltag des Spielens und miteinander Lebens – konkret erfahrbar wird.

Dr. Regina Polak
Assoz.-Prof. am Institut für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien