Gruppenstunde | Alter: 8-12 | Aufwand: niedrig
In Stilleübungen können Kinder sich bewusst auf ihren Körper, ihre Sinne konzentrieren. Sie erfahren innere Ruhe und Konzentration. Dabei kann auch die Wahrnehmung von Geräuschen und Empfindungen vertieft werden.
Hintergrund:
Geht es um "Stille mit Kindern", dann fällt einem bald Maria Montessori ein, die vor rund 100 Jahren in Italien lebte und deren Pädagogik im Moment vor allem im schulischen Bereich und im Kindergarten in aller Munde ist. Montessori führte in ihrer Arbeit mit Kindern sogenannte "Stilleübungen" ein, bei denen wir uns heute auch für Gruppenstunden Anleihe nehmen können.
Was Maria Montessori mir ihrer Pädagogik eigentlich wollte und welche Bedeutung das für uns in der Jungschararbeit haben kann, erfährst du hier in einem kurzen Abstecher ins Leben und die Arbeit Montessoris.
Maria Montessori entdeckte früh, dass der Lernweg eines Menschen immer "von der Hand in den Kopf" geht. Sie bemerkte, dass Kinder immer mit Gegenständen hantieren müssen, um Inhalte begreifen und ihre eigenen Einsichten gewinnen zu können. (In der Jungschar nennen wir das heute "Materialanimation".) Montessori ließ den ihr anvertrauten Kindern die Freiheit, ob sie sich allein oder mit anderen Kindern beschäftigen bzw. mit welchen Materialien und zu welcher Zeit sie arbeiten oder spielen wollten. Als Orientierungs- und Ordnungsrahmen diente ein anregend gestalteter Gruppenraum, die sogenannte "vorbereitete Umgebung". Die "freie Wahl der Arbeit" und die "vorbereitete Umgebung" ermöglichen es den Kindern, Selbständigkeit zu erwerben und unabhängig von Belehrungen der Erwachsenen zu werden.
Maria Montessori entdeckte außerdem, dass Kinder Stille lieben und sie benötigen, um nach einer intensiven Beschäftigungsphase wieder zur Ruhe zu kommen. Das ist auch eine Möglichkeit, wie sich dieses Element der Stille auch in Gruppenstunden einsetzen lässt.
Material: keines
Ihr setzt euch entspannt auf Sesseln, schließt die Augen und horcht. Nach einem vereinbarten Zeichen öffnet ihr die Augen und erzählt, was ihr gehört habt. Diese Übung lässt sich besonders gut im Wald oder im Garten durchführen.
Material:Tuch,"Schatzkiste" mit verschiedenen Gegenständen
Ihr sitzt im Kreis am Boden. In der Mitte hast du ein schönes, großes Tuch drapiert. Eine "Schatzkiste" mit Gegenständen wird von Kind zu Kind weitergereicht. In dieser befinden sich schöne Gegenstände, die du vorher gesammelt hast. Es eignen sich dafür Steine, Muscheln und Schnecken, Perlen, Murmeln oder Muglsteine, kleine Tonfiguren,... Jedes Kind sucht sich schweigend einen Gegenstand aus und legt ihn auf das Tuch. Es entsteht ein Bild, das ihr am Ende der Stillephase gemeinsam betrachten und besprechen könnt.
Material: aufgezeichnete oder mit Klebeband aufgeklebte Linie, Kasette oder CD mit ruhiger Musik, Kassettenrekoder oder CD-Player, ev. Verschiedene Gegenstände
Du hast im Gruppenraum eine Linie aufgezeichnet oder mit Klebeband aufgeklebt. Besonders geeignet ist ein Klebeband mit einer rauhen Struktur, weil man es gut unter den Füßen spüren kann, z.B. Tesa Krepp. Die Linie kann gerade sein oder die Form einer Ellipse haben. Die Kinder werden eingeladen rund um die Linie schweigend Platz zu nehmen. Im Hintergrund spielt ruhige Musik.
Du selbst zeigst nun das Gehen auf der Linie vor, indem du deine Schuhe ausziehst und vorsichtig, Fuß vor Fuß setzend (wie bei Tip-Top) langsam die Linie abgehst. Wenn du fertig bist, forderst du das nächste Kind mit einem Kopfnicken oder einer sanften Berührung auf, es auch zu versuchen.
In einer erweiterten Form kann man beim Gehen auf der Linie verschiedene Gegenstände mittragen, die eine noch höhere Konzentration und ein größeres Balancegefühl erfordern, wobei aber kein Stress entstehen soll, wenn es nicht so gut gelingt. Solche Gegenstände können sein: ein Glas Wasser auf einem kleinen Tablett; eine brennende Kerze, die nicht tropft; eine kleine Glocke an einem langen dünnen Faden, die nicht läuten soll; ein Tablett mit kleinen Figuren,... Für die Konzentration und das Ruhig-Werden der Kinder ist es hilfreich, wenn ihr schon vor der Übung ausmacht, dass jedes Kind einmal drankommen wird.
Material: Geräuschmacher oder selbstgebastelte Instrumente
Die Kinder sitzen verteilt im Raum auf Sesseln oder am Boden und haben die Augen geschlossen. Du erklärst ihnen, dass es darum geht mit der Hand in die Richtung zu zeigen, aus der sie ein Geräusch hören. Dann gehst du herum und berührst vier Kinder sanft am Rücken und forderst sie auf sich in die vier Ecken des Raumes zu stellen. Dabei gibst du ihnen Geräuschmacher oder selbstgebastelte Instrumente in die Hand. Du bist der/die Dirigent/in und zeigst auf ein Kind, das für kurze Zeit sein Instrument spielt. Du kannst natürlich auch zwei oder drei Kinder gleichzeitig spielen lassen. Alle Kinder werden die Richtung bald erhören und können die Augen öffnen um dies zu überprüfen. Nach einiger Zeit kannst du dich als Dirigent/in von einem Kind ablösen lassen.
Variante: Ein Kind geht mit einem besonderen Instrument (Regenmacher, Glockenspiel,...) leise durch den Raum. Irgendwo macht es Halt und macht ein Geräusch. Die anderen Kinder sollen auch hier wieder die Richtung erkennen, aus der das Geräusch kommt.
Material: besonders geformte Steine, ev. Schlüssel oder Sack
Die Kinder sitzen mit geschlossenen Augen im Kreis. Du gehst herum und gibst jedem Kind einen besonders geformten Stein in die Hand oder lasst die Kinder selbst einen aus einer Schüssel oder einem Sack nehmen. Die Steine sollten in ihrer Form sehr unterschiedlich sein. Nun hat jedes Kind Zeit, seinen Stein genau kennen zu lernen, um ihn nachher an seiner Form, Größe und seinem Gewicht wiederzuerkennen. Nun sammelst du die Steine wieder ein und gibst nach und nach einen nach dem anderen im Kreis weiter. Wenn ein Kind seinen Stein erkannt hat, darf es ihn behalten, wenn es einen anderen hat, gibt es ihn weiter, bis schließlich jedes Kind wieder seinen Stein in den Händen hält. Nun können die Kinder ihre Augen wieder öffnen und erzählen, woran sie ihren Stein erkannt haben, was so besonders an ihrem Stein ist bzw. ob ihr Stein so ist, wie sie sich ihn vorgestellt haben...
Material: Mandalas und Farbstifte oder verschiedene Gegenstände
Mandalas sind Bilder, die in ihrer Form und Ausführung Ruhe und Sammlung ausstrahlen. Ich habe den Eindruck, dass im Mandala-Boom der letzten Zeit diese Bilder allerdings eher zur Beschäftigungs- und Anmal-"therapie" verkommen sind und zu zahlreich in Schule, Kirche und anderen Institutionen eingesetzt werden. Wenn deine Kinder damit bereits übersättigt sind, dann setze lieber keine Mandalas für die Stillephase ein.
Eine Alternative zum Mandala-Anmalen wäre Mandalas zu legen. So wie ich es bei "Bilder legen" beschrieben habe, könnt ihr mit verschiedensten Gegenständen auch symmetrische Figuren legen. Bevor ihr beginnt, besprichst du mit den Kindern, wie so eine symmetrische Form aussehen könnte. Zum Legen der Mandalas eignen sich besonders Materialien aus der Natur, wie Blumen, Efeuranken, Steine, Muscheln und Schneckenhäuser, Sand, Rindenstücke, Früchte oder Gefäße mit Wasser usw. Mit einem schönen Gegenstand kannst du das Zentrum des Mandalas bestimmen.
Bei der Übung können symmetrische Mandalas, aber auch ganz andere Formen entstehen. Schränke die Freiheit der Kinder dabei nicht ein, sie haben auch oft ein anderes ästhetisches Empfinden als Erwachsene.
Autor/in: Gabriele Petz-Starkl
Publikation: Kumquat_2/99