Der eine Gott und die religiöse Vielfalt

Ganz unwohl habe sie sich gefühlt, meint die Studentin aus der Ukraine. Die Rede ist von einem interreligiösen Gebet in einem internationalen Student/innenheim in Wien. Viermal im Jahr halten dort Christinnen, Musliminnen und Konfessionslose miteinander eine Gebetsstunde, und ich darf sie dabei begleiten. „Die Muslime leugnen doch, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Wie kann ich dann mit ihnen gemeinsam beten?“ Wir diskutieren lang und kommen auf keinen grünen Zweig. Sie und ihre Kollegin gehören einer evangelikalen christlichen Gemeinschaft an. Für sie ist der dreifaltige Gott der einzige wahre Gott. Alle anderen Götter sind falsche Götter. So auch Allah. „Aber“, gebe ich zu bedenken, „in Indonesien ist die christliche Bezeichnung für Gott auch ‚Allah‘!“ Das können die beiden gar nicht annehmen. Schließlich muss ich weg, zu meinem Zug, ich kann nicht bis Mitternacht bleiben.

Die Erklärung „Nostra Aetate“ des 2. Vatikanischen Konzils, die vor 50 Jahren verabschiedet wurde, betont gegenüber allen Tendenzen, anderen die Verbindung zum einen Gott abzusprechen: „Alle Völker sind ja eine einzige Gemeinschaft, sie haben denselben Ursprung, da Gott das ganze Menschengeschlecht auf dem gesamten Erdkreis wohnen ließ; auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel." Im Anschluss daran halten die Konzilsteilnehmer fest, dass es auch in anderen Religionen Wahres und Heiliges gibt. Sie fordern ausdrücklich zu  „Gespräch und Zusammenarbeit“ mit den Angehörigen anderer Religionen auf. Wir Katholik/innen sollen die „geistlichen und sittlichen Güter“ und die „sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden“ anerkennen, wahren und fördern. Zwanzig Jahre nach dem Konzil hat Papst Johannes Paul II. in Assisi mit Vertretern anderer Religionen für den Frieden gebetet. Er bezeichnete dieses Gebet als Vorwegnahme dessen, was Gott in der menschlichen Geschichte verwirklicht sehen möchte: „Eine geschwisterliche Wanderung, auf der wir uns gegenseitig begleiten zum transzendenten Ziel.“

Wenn ich diese beiden Haltungen einander gegenüberstelle, die evangelikale und die katholische, dann bin ich gern Katholik. Der Wortsinn von „katholisch“ ist ja „für alle“, „auf das Ganze hin“. Wenn ich in die Weltkirche schaue, dann sind da ganz viele verschiedene Formen des gelebten Christseins, je nach Kultur und Lebenssituation der Menschen. Gebetet wird im Knien, im Lotussitz und auch beim Tanzen. Die Form ist nur insofern wichtig, als sie den Gläubigen helfen soll, mit Gott in Beziehung zu treten. Das Gebet muss hinführen dazu, die Welt im Sinne Gottes zu gestalten, der wie ein guter Vater ist. Er meint es gut mit allen seinen Geschöpfen. Ich darf darauf vertrauen, dass Gott schon am Wirken ist in dieser Welt, auch in anderen Religionen mit ihren oft so verschiedenen Ausdrucksformen des Glaubens. Denn dort gibt es „Wahres“ und „Heiliges“. Woher soll das sonst kommen, wenn nicht von Gott? Vieles mag anders sein - aber alle sind gleich geliebt von Gott, davon bin ich überzeugt!

Pater Franz Helm SVD

kumquat "alle anders - alle gleich!" 3/2015