Wir und die anderen

...zum leider sehr gängigen Phänomen Rassismus

Er zeigt sich in den verschiedensten Formen und obwohl vielerorts immer mehr auf Toleranz und Diversität gesetzt wird, ist Rassismus – mal verdeckter, mal offener – im alltäglichen Leben und Denken vieler Menschen zu finden.

Aber was ist Rassismus eigentlich genau?

Es ist gar nicht so einfach, eine konkrete Definition dafür zu finden. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Basis von Rassismus, nämlich die Idee der Existenz unterschiedlicher menschlicher Rassen, wovon es bessere und schlechtere gebe, nicht haltbar ist. Rassismus stützt sich nicht auf wissenschaftliche Theorien oder Ähnliches (obwohl das immer wieder versucht wurde), sondern ist ein komplexes Konstrukt aus widersprüchlichen Meinungen, entsteht aus einer feindseligen oder angsterfüllten Haltung gegenüber anderen und hat die Funktion, andere abzuwerten, zu diskriminieren bzw. sich selbst und die eigene Gruppe, Nation, o.ä. aufzuwerten.

Rassismus ist, wenn Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder Staatsangehörigkeit, aufgrund kultureller oder aber auch körperlicher Merkmale, ungerecht behandelt werden, diskriminiert, gedemütigt oder bedroht werden. Dabei werden oft ganze Gruppen von Menschen in einen Topf geworfen und mit negativen Eigenschaften besetzt.

Wenn jemand zum Beispiel behauptet, Polen seien Diebe, Afrikaner hätten den Rhythmus im Blut oder Italiener seien immer laut und chaotisch, so sind das rassistische Aussagen.

Meist handelt es sich um negative Zuschreibungen, aber auch positive Vorurteile fallen unter Rassismus (man spricht dabei häufig von Exotismus – ,die edlen Wilden‘ etwa, ist zwar ein schönes Bild, nimmt den Individuen dieser Gruppe aber dennoch das Recht auf Selbstdefinition, auf Eigenständigkeit und Individualität).

Der Begriff ,Rasse‘ stammt aus der Biologie. Im 19. Jahrhundert entstand die ,Rassenkunde‘, die es sich zum Ziel setzte, Menschen nach (mehr oder weniger sichtbaren) Unterschieden in verschiedene Rassen einzuteilen. Diesen ,Rassen‘ wurden auch bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, die man teilweise auch heute noch als Vorurteile gegenüber ganzen Kulturkreisen findet. Rassistische Haltungen haben dabei oft die Intention, die eigene Überlegenheit ,biologistisch‘ zu rechtfertigen, d.h. dass auf diese Weise soziale und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten erklärt werden: „Klar, dass Türken arm sind, die sind ja auch faul und arbeiten nicht.“ Ungerechtigkeiten werden somit als ,natürliche‘ Umstände dargestellt, wodurch man sich der Verantwortung entziehen kann, etwas dagegen zu tun.

Spricht man also von Rassismus, so meint man damit Vorurteile gegenüber einer Gruppe von Menschen aufgrund von körperlichen oder kulturellen Merkmalen. Daneben gibt es auch andere Formen dieser negativen Zuschreibungen, je nachdem welche Merkmale in den Mittelpunkt gestellt werden, etwa die Religion (z.B.: Anti-Islamismus) oder sexuelle Orientierung (Homophobie). Diese Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung entstehen also aus der (negativen) Bewertung von Unterschieden, aus Pauschalisierungen und Vorurteilen.

Doch woher kommen diese Vorurteile, diese Bewertungen?

Um uns in der Welt, in unserem Alltag zurecht zu finden, bauen wir Menschen Stereotypen. Wir versuchen aufgrund unserer bereits gemachten Erfahrungen eine Ordnung, ein Muster für neue Situationen zu erschaffen - dies geschieht mehr oder weniger unbewusst und hilft uns, Eindrücke schneller einzuordnen und zu verarbeiten.

Problematisch wird das Ganze erst, wenn wir beginnen zu sehr zu vereinfachen, zu pauschalisieren und vor allem – zu bewerten. Dann spricht man von Vorurteilen. Vorurteile sind – wie der Name schon sagt – Urteile, die man im Voraus schon gefällt hat, ohne sich auf die Situation oder den Menschen wirklich einzulassen. Man geht ohne wirkliches Wissen über eine Person oder einen Sachverhalt, mit einer bereits vorgefertigten Meinung, in eine Situation, die meist nicht auf eigenen Erfahrungen basiert und verhindert damit, aus neuen Situationen zu lernen.

Vorurteile beziehen sich auf ,die anderen‘. Aber wie werden die anderen zu anderen gemacht?

Alles was wir wahrnehmen teilen wir in Kategorien ein. Wie bereits erwähnt, brauchen wir diese Stereotypen und Kategorien, um uns zurecht zu finden. Welche Kategorien wir in unserer Wahrnehmung bilden, welche Unterschiede wir wahrnehmen und welche nicht, ist jedoch kulturspezifisch und hängt von unserer Sozialisierung und unserem Umfeld ab. D.h. wir lernen erst gewisse Unterschiede wahrzunehmen und für relevant zu erachten, sie sind nicht ,von sich aus‘ entscheidend und relevant. Wir wachsen in einer Gruppe, in einer Familie, in einem Kulturkreis auf und lernen, welche Eigenschaften uns zu einem Teil dieser Gemeinschaft machen, und welche wir ,den anderen‘ zuschreiben. Welche Merkmale das sind, ist dabei recht willkürlich. Hautfarbe scheint z.B. ein zentrales Merkmal zu sein, ist mit vielen Eigenschaften verknüpft und löst starke Vorannahmen aus. Das Wichtige dabei ist, dass dies kein natürliches, biologisch erklärbares Phänomen ist, sondern geschichtlich entstand.

Was ist mit der Augenfarbe? Oder der Schuhgröße? Niemand würde auf die Idee kommen, jemanden als Schuhgrößenachtundreißiger zu kategorisieren, dem dann vielleicht auch noch eine Eigenschaft zuschreiben und daraufhin zu diskriminieren: „Schuhgrößenachtundreißiger sind immer so chaotisch, solche Leute sollte man lieber nicht in seinem Unternehmen einstellen.“ Klingt absurd, oder? Weil Schuhgrößen als Merkmal nicht als relevant erachtet werden. Warum aber die Hautfarbe? Oder das Tragen eines Kopftuches?

Dass wir Leute nicht nach Schuhgrößen diskriminieren, klingt einleuchtend

Dennoch tun wir das – mehr oder weniger bewusst – oft aufgrund von anderen, ähnlich willkürlichen Merkmalen. Etwa wenn von Ausländerkriminalität, Türkenbanden oder der Russenmafia berichtet wird, wird die Kriminalität der Menschen in direkten Zusammenhang mit deren Nationalität gestellt – während  Österreicherkriminalität, weiße Dealer oder Ähnliches als Kategorien gar nicht auftauchen. Hier zeigt sich, wie sehr Sprache und vor allem Sprachverwendung eine große Rolle spielt, um Rassismus und rassistische Kategorien zu transportieren, und auch zu festigen. Dabei geht es neben ganz offensichtlichen Dingen wie rassistischen Witzen, Bezeichnungen wie ,Negerkuss‘ etc. auch eben darum, wofür wir eine sprachliche Kategorie schaffen. Wir kennen ,Schwarzafrika‘, aber warum gibt es kein ,Weiß-Europa‘? Es gibt ,die Ausländer‘, ,die Asylanten‘, ,die Muslime‘, etc. die sprachlich schnell als Gruppen zusammengefasst und als ,das Andere‘ verstanden werden, während ,wir‘ das ,Normale‘, den Ausgangspunkt darstellen. Das Eigene wird als ,normal‘, positiv und erstrebenswert deklariert, wodurch einerseits die Abwertung anderer Kulturen sowie die eigene Abschottung vorangetrieben, andererseits auch die Angst vor ,Überfremdung‘ geschürt wird.

Indem wir solche Kategorisierungen und Bewertungen hinterfragen, unsere Sprachverwendung reflektieren und auch jene der Medien kritisch betrachten, können wir rassistische Strukturen und Denkweisen aufbrechen und uns gegen die Normalisierung von Rassismus sowohl im Alltag, als auch in politischen oder sozialen Einrichtungen, einsetzen. Denn Ungleichheiten aufgrund unterschiedlicher  ethnischer Herkunft, kultureller oder körperlicher Merkmale sind eben nicht natürlich oder logisch, sondern ungerecht und diskriminierend.

Te Millesi

kumquat "alle anders - alle gleich!" 3/2015