Vom Frau sein im Christ/innentum

Ich bin eine Frau und ich bin in der katholischen Kirche aktiv. Ich versuche, die Kirche mitzugestalten, in ihr selbstbewusst aufzutreten, mich einzumischen. Es ist nicht leicht, die eigene Meinung kund zu tun und Änderungen einzufordern. Schon gar nicht, wenn ich in der Bibel Zitate wie „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter  wie dem Herrn (Christus)“ (Eph 5,22,) oder „Eine Frau soll sich still und in aller Unterordnung belehren lassen“ (1 Tim 2,11), finde.

Diese beiden Zitate stammen aus den Paulusbriefen. Die Paulusbriefe gehören den ältesten Teilen des Neuen Testaments an. Paulus schrieb seinen Gemeinden Briefe, um sie so in ihrer Arbeit zu unterstützen. Somit sind diese Briefe quasi auch Zeichen unserer Wurzelen. Sie zeigen, was das frühe Urchrist/innentum ausmachte. Offensichtlich war Frauenfeindlichkeit bzw. Ungleichbehandlung von Frauen ein großes Thema.

Bibelforscher/innen haben sich mit dem frauenfeindlichen Bild, das Paulus zeichnet, nicht zufriedengegeben und sind auf spannende Erkenntnisse gestoßen: die beiden Zitate sind gar nicht von Paulus, sondern wurden von seinen Schüler/innen später nachgetragen. Die urchristlichen Gemeinden waren nämlich nicht frauenfeindlich. Frauen und Männer waren gleichberechtigt, egal was sie glaubten, was sie besaßen, woher sie kamen. Auch Jesus machte nie einen Unterschied zwischen Männern oder Frauen, zwischen kranken, verstoßenen, reichen oder armen Menschen. Nächstenliebe galt für alle.

Schaut man/frau sich die Paulusbriefe näher an, entdeckt man/frau weitere spannende Beweise für ein liberaleres Konzept von Männlich- und Weiblichkeit, also weniger fix zugeschriebene Rollen für Männer und für Frauen. Zum Beispiel durften nicht nur Männern miteinander den Gottesdienst feiern, sondern Frauen und Männer. Das war zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich. Frauen hatten auch eine Stimme und konnten verschiedene Funktionen einnehmen. So schreibt Paulus im Brief an die Römer im 16. Kapitel „Grüße und Ermahnungen“: Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä: „Nehmt sie im Namen des Herren auf, wie es Heilige tun sollen, und steht ihr in jeder Sache bei, in der sie euch braucht;“ (Ro 16,1) Phöbe war Dienerin der Gemeinde, sie war Diakonin. Sie hatte somit viel zu sagen und zu tun.

Paulus schreibt weiter: „Grüßt Andronikus und Junias, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie sind angesehene Apostel und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt.“ (Ro 16, 7) Der Name „Junias“ klingt wie ein Männername. Tatsächlich war zur damaligen Zeit kein Männername „Junias“ bekannt, in keinen anderen Schriften taucht dieser Name auf. Junia hingegen, war ein damals gebräuchlicher (römischer?) Frauenname. Hier steht somit, dass auch Frauen Apostel/innen waren. Das „s“ wurde an „Junia“ gehängt, und machte sie zu einem Mann.

Frauen waren zur  Zeit Jesu sehr wichtig. Und auch in der ersten frühen Zeit des Christentums. Ich bin froh, dass im Urchrist/innentum wenig Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht wurde. Das ist ein sehr starkes Zeichen. Die damalige Gesellschaft war noch viel patriarchaler als die heutige. Und in dieser Zeit waren Männer und Frauen im Christentum so gleichberechtigt wie nachher nie mehr.

Mir gibt das Hoffnung und Mut, weiter als Frau in dieser Kirche und in dieser Gesellschaft für Gleichberechtigung aller Menschen zu kämpfen, egal welchem Geschlecht sie angehören, woher sie kommen, welche Sprache sie sprechen, wie sie ausschauen!

Betti Zelenak