Autoaggressives oder selbstverletzendes Verhalten

Selbstverletzendes Verhalten kann verschiedenste Ausmaße annehmen und zwar von Ritzen über Haare ausreißen bis sogar zur Einnahme schädlicher Substanzen. 

Wieso tut das wer?

Menschen, die sich selbst verletzen, befinden sich oft in Stresssituationen, stehen unter starker innerer Anspannung und nicht auszuhaltendem Stress oder empfinden seelischen Kummer oder innere Leere. Durch ihr Verhalten versuchen sie bedrückende Gefühle oder Erlebnissen zu bewältigen. Meist ist es nicht geplant. Die Gewalt an sich selbst ist wie ein Ventil, das Spannung und Wut abbaut. Gründe können auch sein, dass sie sich selbst spüren oder auch bestrafen wollen, sie können Sicherheit und Selbstkontrolle erlangen oder auch mit ihrem Verhalten um Hilfe rufen.
Ein bisschen ist es so, wie wenn ihr wütend seid und am liebsten schreien oder auf etwas schlagen wollt. Die Wut soll aus eurem Körper und das Schreien oder Schlagen ist das Ventil, damit ihr euch nachher besser fühlt. Jetzt gibt es aber Menschen, bei denen sich schon viel mehr als nur ein bisschen Wut angestaut hat und die vielleicht durch so viele verschiedenen Emotionen ihren eigenen Körper oder ihre Grenzen nicht mehr wirklich spüren. Wenn man sich dann ritzt, verbrennt oder sich anders verletzt, spürt man wieder seinen Körper und kann auch das als Ventil nützen, um Spannungen abzubauen. Es ist oft nicht leicht nachvollziehbar, aber in solchen Situationen ist es für betroffene Menschen eine Erleichterung und sie können sich selber wieder besser fühlen und spüren.

Warum hören sie nicht einfach auf?

Für Außenstehende mag es vielleicht einfach erscheinen, aufhören zu können. Aber das ist es leider nicht. Das Schwierige für die Betroffenen ist, dass sich ihr Verhalten zu einer Art Sucht entwickelt. Sie gewöhnen sich an den Entspannungszustand oder die Erleichterung. Damit dieses Gefühl wieder aufkommen kann, muss sich der/die Betroffene immer schlimmere Verletzungen zufügen. Aus diesem Teufelskreis zu entkommen ist nicht sehr leicht. Als Betroffene/r erkennt man oft alternative Handlungsmöglichkeiten nicht, um zum gleichen Ziel zu kommen. Oft handeln die Betroffenen erst, wenn der Leidensdruck entsprechend groß ist. Und das kann unter Umständen für Außenstehende sehr lange sein.

Wie gehe ich als Angehörige/r, Gruppenleiter/in oder Freund/in damit um?

Das erste wird sein, dass ihr eure Beobachtungen der/demjenigen mitteilt. Was man auf keinen Fall tun sollte ist den/die Betroffene zu ermahnen, belehren, ihr/m Ratschläge erteilen, das Problem herunterzuspielen, ihr/ihm mit Unverständnis, Ignoranz oder Vorurteilen entgegenzutreten oder sie/ihn danach ständig zu kontrollieren.
Ihr könnt eure Gesprächsbereitschaft und Hilfe anbieten und auf eine mögliche Psychotherapie ansprechen. Was ihr dabei nie vergessen dürft ist, dass sie die gleichen Menschen wie „vorher“ sind und sie auch so behandelt werden wollen!
Das ist in deiner Funktion als Gruppenleiter/in besonders wichtig. Behandle das betroffene Kind nicht anders als die anderen Kinder. Nimm dir vielleicht vor oder nach der Gruppenstunde Zeit mit ihm/r darüber zu reden, wenn er/sie das überhaupt will. Macht euch gemeinsam aus, wie ihr in der Gruppenstunde damit umgehen wollt oder auch, ob ihr den anderen Kindern davon erzählen sollt. In der Gruppenstunde ist es wichtig, dass das betroffene Kind nicht auf Grund seines/ihren selbstverletzenden Verhaltens hervorgehoben wird.
Seid da für ihn/sie, zeigt ihm/ihr wie viel er/sie euch bedeutet und stärkt sein/ihr Selbstvertrauen und -bewusstsein! Wenn ihr euch aber unsicher fühlt, holt euch selbst Hilfe, sonst werdet ihr keine Unterstützung sein. Ihr könnt z.B bei Rat auf Draht (anonym) anrufen oder euch auch auf ihrer Homepage umschauen und Tipps holen (http://rataufdraht.orf.at/?story=102). Aus Deutschland habe ich zwei gute Homepages gefunden, sowohl für Angehörige, als auch für Betroffene: rotelinien.de und www.rotetraenen.de

Seid euch bewusst, dass ihr keine Chance habt, dem selbstverletzenden Verhalten aktiv entgegenzuwirken. Ihr seid keine Therapeuten/innen, aber ihr seid Freund/innen oder Angehörige, die  Halt und Sicherheit geben können. Der/Die Betroffene muss selber aufhören wollen, sonst kann oft Hilfe von außen nicht helfen. Ihr könnt und sollt „nur“ unterstützen, helfen kann er/sie sich nur selber!

Lisi Straßmayr

[aus dem kumquat "autsch!" 2010]