Rund um´s Fasten

Was ist Fasten?

Ein Blick ins Lexikon verrät: Unter Fasten versteht man den freiwilligen Verzicht auf Nahrung (im Unterschied zum Hungern, das unfreiwillig ist). Das Fasten ist der Gegenpol zu Fest und Feier. Essen und Nichtessen sind wie Wachen und Schlafen, wie Spannung und Entspannung; Essen und Nichtessen sind wie Pole, zwischen denen sich menschliches Leben ereignet.

Essen am Tage und Fasten in der Nacht gehören so selbstverständlich zum menschlichen Lebensrhythmus, dass sich niemand darüber Gedanken macht. Nur wenn wir am Abend spät gegessen haben, fällt uns auf, dass am Morgen der Appetit fehlt: Ein Zeichen des Körpers, dass die für ihn notwendige Fastenzeit noch nicht beendet ist; sie wurde nur verschoben. Nicht umsonst nennt man in England das Frühstück „breakfast“ – Fastenbrechen. Wer in der Nacht nicht gefastet hat, braucht eigentlich am Morgen kein „breakfast“.

Beim Fasten holt sich der Körper die für den lebenswichtigen Stoffwechsel (=Abbau, Umbau und Aufbau von Körpersubstanzen) notwendige Energie aus den verschiedenen Körperdepots. In der Fastenzeit der Nacht können diese Stoffwechselvorgänge deshalb so gut funktionieren, weil der Mensch mit nichts anderem beschäftigt ist: Er schläft, er hält still. Ruhe, Geborgenheit und Wärme helfen ihm, allein durch sich selbst zu leben.

Wurzeln christlicher Fastenpraxis

Für die abendländische Tradition sind vor allem zwei weltanschauliche Hintergründe für das Fasten wichtig geworden:

a) Jüdische Tradition:
Das Judentum kennt nur einen für alle verpflichtenden Fasttag: den Versöhnungstag. Doch es gilt als Zeichen der Frömmigkeit, zweimal in der Woche, am Montag und Donnerstag, zu fasten. Bei besonderen Anliegen oder in Notzeiten werden öffentliche Fasttage ausgerufen, um von Gott Hilfe zu erbitten.

Die Jüdinnen und Juden verstehen das Fasten einmal als flehentliche Bitte zu Gott, als Zeichen, dass sie es ernst mit ihrem Beten meinen, dann aber auch als Sühne und Buße. Im Fasten bekennen sie sich vor Gott als Sünder/innen und bitten um Vergebung und Hilfe. Beide Aspekte gehören zusammen, da im Judentum eine Not immer auch Zeichen des Ungehorsams Gott gegenüber ist. Im Fasten wollen die Menschen zu Gott zurückkehren.

b) Asketische Tradition der Spätantike:
Vor diesem Hintergrund ist das Fasten in sich selbst sinnvoll: Je weniger man isst, umso weniger isst man Böses in sich hinein. In der Antike hat man ganz bestimmten Speisen besonderen dämonischen Einfluss zugeschrieben. So meinten die Pythagoräer, dass man mit dem Fleisch eines getöteten Tieres dessen dämonische Seele in sich aufnehme. Daher verbieten sie den Fleischgenuss. A

ndere Richtungen vermieden vor allem das Fleisch von Tieren, die sich auf sexuellem Weg fortpflanzen, wogegen Fische, von denen man annahm, dass sie sich asexuell vermehren, erlaubt werden. Ein Grund für viele Fastenvorschriften war also der Schutz vor dämonischer Infizierung.

Eine solche Auffassung ist aus jüdisch-christlicher Sicht nicht annehmbar, weil Gott alles geschaffen hat: das Materielle ebenso wie das Geistige. Der Verzicht darf also nicht aus der Schlechtigkeit die den Dingen bzw. der Nahrung innewohnt abgeleitet werden. Er kann sich höchstens so begründen, dass der Gebrauch eines Dinges böse Folgen hat oder schon in sich schlechter Gebrauch ist. So verzichtete etwa Elisabeth von Thüringen auf Speisen, die aus ungerechten Einkünften stammten.

Neben der Gerechtigkeit können auch Umwelt, Persönlichkeit, Gesundheit oder sogar politische Ziele den Verzicht auf Nahrung motivieren (z.B. die Unabhängigkeit Indiens, die Mahatma Gandhi durch sein Fasten anstrebte). Eine zeitgemäße Möglichkeit ist auch der Verzicht auf Waren, die nicht fair gehandelt werden. Diese können durch Produkte, die das Transfair-Siegel tragen z.B. Kaffee, Tee und Orangensaft, ersetzt werden (mehr dazu findest du unter http://www.fairtrade.at).

Christliche Tradition

Jesus betont, dass das Böse nicht dinglich festgemacht und darum auch nicht in sich hinein gegessen werden kann. Der Ort des Bösen sind nicht die Gegenstände, die man isst, sondern das menschliche Herz (Mt 19,15-20).

Für Jesus ist die große Dreiheit von Almosen (teilen), Gebet und fasten (Mt 6,1-18) maßgebend. Diese drei Bereiche gehören zusammen: Wer fastet, der soll das nicht nur für sich alleine tun, sondern das Fasten soll sich positiv auf die Mitmenschen auswirken: Besonders die Bedürftigen und Armen sollen dadurch profitieren.

Und schließlich soll der Mensch, der fastet, durch das Gebet wacher werden für Gott, offener für das unergründliche Geheimnis, das alle Vernunft übersteigt. Auf diese Weise wird die Gefahr vermieden, sich im Fasten selbstgerecht abzukapseln und sich und anderen zu schaden. Das Fasten wird so eingebunden in eine religiöse und in eine soziale Dimension.

Schon der Prophet Jesaja betont im Alten Testament, dass das Fasten nicht einfach nur als asketische Übung aufgefasst werden darf: „Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden, und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen (Jes 58,6f).“

Im Neuen Testament spürt man, dass sich die junge Kirche bemüht, eine eigene Fastenpraxis zu entwickeln. Die Kirche hat hier die Praxis des Judentums und die Anschauungen der griechisch-römischen Welt über das Fasten übernommen und weiterentwickelt.

In der Bergpredigt wird vorausgesetzt, dass die Christ/innen fasten. Aber sie sollen sich darin von den Pharisäern unterscheiden, die ihr Antlitz verstellen, damit die Menschen sehen, dass sie fasten. Die Jünger/innen sollen im Verborgenen fasten, nicht vor den Menschen, sondern vor dem Vater, und sie sollen es mit frohem Gesicht tun (Mt 6,16-18). Von Jesus selbst wird erzählt, dass er 40 Tage lang in der Wüste gefastet habe. Aber gegenüber den Pharisäern macht er nicht den Eindruck eines Fastenden. Im Gegenteil, er isst und trinkt mit den Menschen, teilt ihre Freude, so dass man ihn sogar einen Fresser und Weinsäufer nennt (Lk 7,34).

Auch seine Jünger/innen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, warum sie nicht fasten wie die Pharisäer und die Jünger des Johannes. Und Jesus gibt zur Antwort: „Können denn die Freunde des Bräutigams trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da ihnen der Bräutigam genommen ist, dann werden sie fasten.“ (Mt 9,15f)

Die Christ/innen der Urkirche fasteten nicht, weil sie sich von Jesus besonders dazu aufgefordert wussten. Im Gegenteil, Jesus steht dem Fasten eher kritisch gegenüber. Die Christ/innen fanden das Fasten als fromme Übung vor und fügten es in ihre Glaubenspraxis ein. Dabei teilten sie die Anschauungen der Antike, die Anschauungen der griechischen Philosophenschulen, der Volksmedizin und der verschiedenen Mysterienkulte.

Die Kirche widersetzte sich deutlich einer Ideologisierung des Fastens und der Speiseverbote. Sie kämpfte für die Freiheit von jedem Gesetzesdenken, die Christus gebracht hat.

Im Mittelalter wurde die Fastenpraxis der Kirche sehr vom Mönchtum geprägt: Hier wird das Fasten vor allem als Kampf gegen Leidenschaften und Laster verstanden. In ihrer Fastenlehre beziehen sich die Mönchsväter besonders gerne auf die Versuchungsgeschichte Jesu (vgl. Mt 4,1-11) denn sie zeigt, wie gerade das Fasten uns unsere Gefährdungen vor Augen halten kann.

Im Fasten kämpft der Mensch vor allem gegen drei Laster: gegen Völlerei, Unzucht und Habgier. Es sind drei Triebe im Menschen, die durch das Fasten in die rechte Ordnung gebracht werden. Die Frage, wie wir im Fasten mit unseren Trieben umgehen sollen, wird von den Mönchsvätern unter dem Thema Demut und Stolz behandelt.

Wenn das Fasten uns stolz macht, dann ist das immer ein Zeichen, dass wir sehr hart mit unseren Trieben umgehen. Wir glauben dann, die Triebe aus eigener Kraft beherrschen zu können. Wir halten lange aus zu fasten, weil uns die Anerkennung der Menschen die Beschwerden vergessen lässt. Doch wer fastet, um damit die Anerkennung der Menschen zu erreichen, erfährt nicht die positiven Wirkungen des Fastens. Ein Test, ob ich richtig faste, ist daher der Umgang mit den anderen, vor allem das Reden über andere. Ebenso eng gehört zum Fasten die Enthaltsamkeit von schlechten Gedanken.

Wer das Fasten in der rechten Weise übt, der wird demütig. Wie ist das zu verstehen? Zunächst konfrontiert uns das Fasten mit uns selbst, mit all unseren Wünschen und Bedürfnissen, mit unseren Gedanken und Gefühlen und mit unseren Schattenseiten. Die Erkenntnis des eigenen Schattens macht schon ein Stück demütiger.

Das Fasten führt uns darüber hinaus an die eigene Grenze. Es zeigt uns sehr deutlich, dass wir Menschen sind mit Leib und Seele, dass wir uns über unseren Leib nicht erheben können. Das Fasten ist kein Wüten gegen den Leib und seine Gesetze. Es ist vielmehr ein Weg, auf dem wir gut mit uns umgehen müssen, auf dem wir uns von den Dingen befreien, die wir glauben zu brauchen. Wir kämpfen im Fasten nicht gegen uns selbst, sondern gegen das, was uns davon abhalten will, wir selbst zu werden.

In diesem Sinne hat schon Augustinus das Fasten verstanden. Er sagt, es gehe im Fasten nicht darum, seinen Leib zu hassen, sondern nur darum gegen die schlechten Gewohnheiten der Leidenschaften zu kämpfen und so zur Gesundung des Leibes beizutragen.

Das 2.  Vatikanum hat nicht, wie manche glauben, das Fasten abgeschafft oder für nebensächlich erklärt. Im Gegenteil, gerade weil das Fasten ein wichtiger Teil der Spiritualität sein kann, wenn es bewusst und freiwillig geübt wird, hat die Kirche das Fasten in die Eigenverantwortung jedes/r einzelnen Christ/in gestellt. Das heißt, jede/r Christ/in kann sich selbst überlegen, wie und wann er/sie fasten will. Nahe liegend ist, sich mit dem Fasten dem Kirchenjahr anzupassen und am Aschermittwoch, dem Beginn der österlichen Bußzeit, und in der Karwoche, besonders am Karfreitag und am Karsamstag, zu fasten. In Gemeinschaft zu fasten ist dabei eine große Hilfe.

Begleiterscheinungen des Fastens

Wer zu fasten beginnt, der spürt die Beschwerden, das Hungergefühl, vielleicht Kopfweh und Schwäche – er fühlt, dass er auf seinen Körper angewiesen ist. Doch wer sich von diesen Erfahrungen nicht abschrecken lässt, kann mit der Zeit immer mehr die beglückende Seite des Fastens erleben, dass es geistig wacher macht und dass es für die Wirklichkeit Gottes öffnet.

Positive Begleiterscheinungen:
Beim Fasten wird die Aufnahmefähigkeit gesteigert. Die Phantasie ist lebendiger. Die Konzentration unverändert. Die Sinne sind schärfer. Eine Art Lösung und Lockerung eines verkrampften seelischen Gefüges ist erkennbar, eine Klärung der Lage und eine höhere Feinfühligkeit. Der wahre Kern kommt heraus; es ist ein Zu-sich-selber-Kommen. Der innere Ruhepunkt, das Meta-Zentrum wird entdeckt, eben die innere Heimat.

Gefahren des Fastens

Fasten kann leicht zu starken Gefühlen sowohl in die positive als auch negative Richtung führen. Sowohl Hochstimmung als auch Niedergeschlagenheit sind möglich. Daher bedarf es beim Fasten der Seelenführung und des Gebetes, damit das Fasten nicht zur Übersteigerung des Selbstwertgefühls missbraucht wird. Fasten heißt gegen den Strich leben. Das kann nur gut gehen, wenn es aus guten Motiven heraus geübt wird.

Eine weitere Gefahr des Fastens ist die Verneinung des Körpers. Im gesunden Fasten geht es nie um Ablehnung unserer Körperlichkeit, sondern um ein Annehmen unseres Körpers. Das Fasten soll Leib und Seele miteinander verbinden.

Oft ist Fasten mit Angst verbunden. Manche fasten aus Angst, sie könnten etwas Schädliches essen. Sicherlich ist es gut, auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung zu achten, doch auf der anderen Seite hilft es auch nicht, wenn wir ängstlich nur noch auf ganz reine und gesunde Nahrung bedacht sind und voller Angst auf mögliche Giftstoffe starren und nicht mehr sehen, dass Nahrungsaufnahme etwas für den Körper positives ist. Richtig und gesund fastet nur, wer es ohne Angst tut.

Fasten im weiteren Sinn

Freilich können wir den Begriff „Fasten“ auch in einem weiteren Sinn verstehen: Gemeint ist, von Fasten nicht nur im Hinblick auf das Essen zu sprechen, sondern jeden freiwilligen Konsumverzicht oder jegliche bewusste Einschränkung als Fasten zu bezeichnen: z.B. Menschen merken, dass sie zu viel fernsehen und schränken sich dann für eine bestimmte Zeit ein; andere verzichten aus Umweltgründen auf die ständige Benutzung ihres Autos, usw. Man könnte das und vieles andere ebenfalls unter den Begriff „Fasten“ einordnen.

In diesem Artikel liegt der Schwerpunkt allerdings auf dem Fasten im engeren Sinn, nämlich als ganzen oder teilweisen Verzicht auf (bestimmte) Nahrung für einen bestimmten Zeitraum.

Fasten mit Kindern

Kinder sind ausdrücklich vom Fastengebot der Kirche ausgenommen. Da sie sich noch im Wachstum befinden, ist eine regelmäßige Nahrungsaufnahme für Kinder wichtig. Für Kinder kommt das Fasten im weiteren Sinn in Frage. Wichtig dabei ist es, sich mit den Kindern auch mit dem den Sinn des Fastens auseinander zu setzen und gemeinsam die positiven Aspekte des Fastens zu erkennen. Fasten und Verzichten ist ein bewusster und freiwilliger Akt, und den Kindern bleibt es freigestellt, wie sehr sie sich darauf einlassen wollen.

Verwendete Literatur:     
Anselm Grün, Fasten. Praktisches Lexikon der Spiritualität (Herder)
Dr. med. Hellmut Lützner, Wie neugeboren durch Fasten.

aus dem Behelf "Fasten- und Osterzeit"