Globale Jagd nach Land

Land Grabbing, der Kauf oder das Pachten von meist sehr großen Anbauflächen vor allem in Ländern des globalen Südens durch andere Staaten oder multinationale Akteur/innen, ist am Vormarsch. Die einen sehen darin eine Chance auf Investitionen, Technologietransfer und Arbeitsplätze, für die anderen ist es nicht viel mehr als eine neue Form kolonialer Kontrolle und Ausbeutung.

Was ist Land Grabbing?

Unter Land Grabbing versteht man die großflächige Inbesitznahmen von Ackerland durch externe Investoren, meist andere Staaten oder transnationale Unternehmen. Dies passiert entweder durch Kauf der Flächen, oder durch langfristige Pachten (oft bis zu 99 Jahren). Bevölkerungsreiche Staaten schauen sich nach Anbauflächen außerhalb ihrer Landesgrenzen um, und Unternehmen sichern sich durch Landerwerb Anbauflächen und Investitionsmöglichkeiten. Meist passiert Land Grabbing in Ländern des Südens, vor allem in Afrika, Teilen Asiens, Südamerika, aber auch Ost- bzw. Südosteuropa. In manchen afrikanischen Ländern ist bereits ein Drittel der gesamten Landesfläche an ausländische Investoren verkauft, so etwa im jüngsten Staat Afrikas, dem Südsudan, wo laut Angaben der Afrikanischen Union sogar fast  40 Prozent der Landflächen in ausländischem Besitz sind. Man schätzt, dass Investor/innen in den letzten Jahren um die 80 Millionen Hektar Land gekauft oder gepachtet haben.

Nahrungsmittelspekulationen und Agrosprit

Die Hauptgründe für den vermehrten Kauf und das Pachten von Anbauflächen und Ackerland in den letzten Jahren sehen Expert/innen vor allem in zwei Phänomenen. Zum einen lässt sich bei den Preisen von Lebensmitteln seit dem Jahr 2006 eine Steigerung feststellen, nachdem diese lange Zeit stabil geblieben sind, bzw. teilweise sogar zurückgegangen waren. Gründe hierfür sind neben Ernteausfällen (auch bedingt durch den Klimawandel) und geringen Lagermengen, steigenden Erdölpreise und steigendem Bedarf, vor allem auch die Zunahme von Spekulationen auf Agrarrohstoffe auf den internationalen Finanzmärkten. Diese können vor allem kurzfristige Steigerungen der Preise hervorrufen. Laut einer Studie der deutschen Organisation Welthungerhilfe waren Spekulationen für zumindest 15% der Preissteigerungen in den Jahren 2007-2009 verantwortlich.

Der zweite Grund für die Preissteigerung ist die Entdeckung von Lebensmitteln für die Herstellung von Agrotreibstoffen. Im Kumquat haben wir bereits mehrfach über die Schattenseiten von diesen berichtet. Agrosprit treibt nicht nur die Lebensmittelpreise  in die Höhe und große Flächen der gekauften Anbauflächen werden nicht verwendet um Menschen mit Nahrung zu versorgen, sondern Lebensmittel herzustellen, die dann im Autotank als Treibstoffe landen.

Auf Kosten der Kleinen

Die Staaten und Politiker/innen verdienen teilweise gut an diesem Geschäft und hoffen durch das an Bord holen ausländischer Investoren gesteigerte Wirtschaftsleistungen, Investitionen in Landwirtschaft und eine beschleunigte Entwicklung des Agrarsektors, sowie Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung. Das Konzept geht aber nur bedingt auf, vor allem wie so oft bei „Wirtschaftsmaßnahmen“ auf Kosten der lokalen Bevölkerung, allen voran den Ärmeren, unter ihnen viele Kleinbäuerinnern und Kleinbauern. Diese werden bei den Verhandlungen völlig übergangen. Der Ausverkauf von Agrarflächen zu Schleuderpreisen geht oft einher mit der Vertreibung vieler dort ansässiger Menschen.

Landgrabbing vor unserer Tür

Aber nicht nur in Afrika, Asien und Lateinamerika steigt die Nachfrage nach fruchtbarem Land und dessen „Ausverkauf“. Land Grabbing findet auch vor unserer Haustür statt. Jährlich verschwinden in Europa zahlreiche Bauernhöfe von der Bildfläche und die Konzentration von Land in den Händen weniger verschärft sich. (Mittel-)Europäische Unternehmen bewirtschaften jetzt schon große Flächen in Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Rumänien, Flächen die zum Teil aus ehemals kommunistischen und nun privatisierten Großbetrieben stammen. Aber auch über chinesische Investoren in Rumänien wird berichtet, sowie gibt es Meldungen, dass Libyen angeblich 250.000 Hektar Land in der Ukraine erworben hat.

Recht auf Land sichern

Meist findet Land Grabbing also dort statt, wo ohnehin bereits schwierige  Ernährungssituationen und Armut herrschen. Wo bislang Lebensmittel fürs Inland angebaut wurden, dienen diese nun dem Export oder werden zu anderen Produkten weiterverarbeitet. Unzureichender Zugang zu Land ist ein Hindernis für Ernährungssouveränität und wird durch Land Grabbing verschärft. Ein wichtiger Schritt dem entgegenzutreten, wäre Spekulationen mit Nahrungsmitteln zu verbieten, also Investmentfonds an Agrarrohstoffmärkten nicht zu gestatten. Mehr Transparenz auf den Rohstoffmärkten ist eine weitere Forderung von Kritiker/innen, da oft nicht klar ist, wer mit Agrarrohstoffen (aus welchen Gründen) handelt. Der Nahrungsmittelmarkt soll also reguliert werden und unter Kontrollen von Aufsichtbehörden stehen, da die Erfahrung gezeigt hat, dass bloße Empfehlungen, ohne mögliche Sanktionen bei Verstößen, in der Praxis wenig verändern. Die breite Diskussion, die in den letzten Jahren bzw. Monaten über Land Grabbing losgetreten wurde, kann ein erster Schritt sein, hier für Bewusstsein zu sorgen und längerfristig die Situation für direkt Betroffene, im Süden wie hier in Europa, zu verbessern.

Clemens Huber

kumquat "Liebe" 3/2013